Lebensräume statt linke Spielwiese

■ BürgerInnen, Polizei und Sportvereine kämpfen bald gemeinsam gegen die Gewalt im Kiez, hofft Friedrichhains SPD-Bürgermeister Mendiburu. Modellprojekt soll Problem "an der Wurzel packen"

Neben den „gefährlichen Orten“ hat der Bezirk Friedrichshain jetzt auch neue „Lebensräume“. Von Amts wegen. Gemeint sind nicht Lebensräume wie die der HausbesetzerInnen in der Kreutziger und der Rigaer Straße. Es handelt sich vielmehr um Gebiete, in denen nach Ansicht des Bezirksbürgermeisters Helios Mendiburu (SPD) SozialarbeiterInnen, Schulen, Polizei, Sportvereine, möglicherweise auch Wohnungsbaugesellschaften, UnternehmerInnen und die BürgerInnen gemeinsam gegen die ansteigende Gewalt zu Felde ziehen sollen.

Im Rahmen des Modellversuchs „Kiezorientierte Gewalt- und Kriminalitätsprävention“, der diesen Monat in Friedrichshain und in Neukölln anläuft, hat Mendiburu seinen Bezirk in unterschiedliche Quartiere eingeteilt. Mit den problembeladensten „Lebensräumen“ will der Bürgermeister loslegen: „Altbaugebiete, in denen viele Menschen auf engem Raum in schlechten Wohnungsverhältnissen leben, wo am meisten Kinder und Jugendliche mit Sozialhilfe auskommen müssen und die Jugendkriminalität am höchsten ist – da fangen wir an“, sagte Mendiburu gestern bei der Vorstellung des Projekts.

Der Versuch läuft unter Federführung der Senatsverwaltung für Jugend, Schule und Sport und ist von der Landeskommission „Berlin gegen Gewalt“ erdacht. Zwei Ziele will man erreichen: Zum einen sollen Kriminalität und Gewalt abgebaut, zum anderen aber auch dem viel zitierten „subjektiven Sicherheitsempfinden“ Rechnung getragen werden. Mit Hilfe der Bezirksämter werden Gewaltkommissionen in den Kiezen eingerichtet, um „den Kreislauf von Angst und Gewalt zu durchbrechen“, wie Jugendstaatssekretär Klaus Löhe sagte. Vier Phasen umfaßt die Planung: Zuallererst werden die Kieze analysiert. Wer wohnt wo und unter welchen sozialen Verhältnissen? Wer übt auf wen Gewalt aus? Im zweiten Schritt soll das Projekt dann Problembereiche festlegen, wie zum Beispiel die „Lebensräume“ in Friedrichshain. Anschließend sollen die bezirkliche Gewaltkommission, soziale Einrichtungen, Vereine, Schulen und die Polizei einen gemeinsamen „Lösungsrahmen“ erarbeiten. Und im vierten Schritt ist geplant, den Rahmen in „konkrete Lösungsschritte“ auch umzusetzen.

Da es zumindest bislang keine zusätzlichen Gelder für die Präventionsarbeit in den Kiezen gibt und auch nur eine oder gar nur eine halbe Stelle von den beiden Bezirken jeweils zur Koordination umgewidmet wird, muß es das große Ziel der Kommissionen sein, die vorhandene Arbeit zu effektivieren. „Die Konkurrenz zwischen der städtischen Jugendarbeit, freien Trägern, den Schulen und der Polizei muß aufhören“, brachte Staatssekretär Löhe seinen Ansatz auf den Punkt. Bislang präsentierten Senat und Bezirke jedoch nur den abstrakten Plan, ohne konkrete Beispiele vorweisen zu können. Bürgermeister Helios Mendiburu weiß trotzdem schon genau, was sich im Bezirk ändern soll. Heute sei Friedrichshain noch „eine Spielwiese für autonome Gruppen und linksorientierte Gewalt“. Barbara Junge