Meyer kickt Hochschulgesetz

■ Der HU-Präsident hat Lust auf Veränderung - und will 100 Paragraphen ändern dürfen. Kürzen: Unis und Fachhochschulen bluten, Medizin bleibt unberührt

Der Präsident der Humboldt- Universität, Hans Meyer, setzt sich an die Spitze der Hochschulreform. Meyer kündigte gestern in einem Gespräch mit der taz an, die Kuratorien an den Universitäten ganz abschaffen zu wollen. Der erst kürzlich gewählte Präsident will das nur in Berlin existierende Bindeglied zwischen Unis und Staat durch ein Board von anerkannten Persönlichkeiten ersetzen. Die StudentInnen könnten etwa den Intellektuellen und Politiker Peter Glotz (SPD) zu ihrem Vertreter ins Board berufen.

Wie Wissenschaftssenator Peter Radunski (CDU) geht Meyer davon aus, daß sich die Kuratorien – in denen SenatorInnen, VertreterInnen gesellschaftlicher Gruppen sowie universitäre Repräsentanten sitzen – nicht bewährt haben. Freilich distanziert sich der 63jährige Staatsrechtler deutlich von Radunski. Wie die Unis ihre Organisationsform änderten, „ist nicht sein Bier, sondern unsere Angelegenheit“, sagte Meyer. Der aus Frankfurt zugereiste Präsident bezog das auf den Wunsch von Radunski, insbesondere die Selbstverwaltungsgremien der Universitäten effektiver und wirtschaftlicher zu gestalten. Radunski hatte zu diesem Zweck den Hochschulen die Möglichkeit gegeben, über eine Experimentierklausel rund 20 Paragraphen des Berliner Hochschulgesetzes für eine Probezeit außer Kraft zusetzen.

Meyer geht nun weit über die von Radunski genannten Gesetzesnormen hinaus. Er will quasi das gesamte Hochschulgesetz zur Disposition stellen können. „Wenn man so etwas macht“, sagte Meyer der taz, „dann auch richtig.“ Er habe Lust, etwas auszuprobieren, sagte Meyer zu seinem Vorschlag, 100 Einzelbestimmungen des Hochschulgesetzes ändern zu dürfen. Zum Beispiel wäre es dann möglich, Trimester einzuführen oder die Dekane zu den professoralen Vertretern im Akademischen Senat zu machen. Konsequenterweise hat Meyer eine achtköpfige Arbeitsgruppe eingerichtet, die ein Erprobungsmodell entwickeln soll.

Unterdessen wurde bekannt, wie Wissenschaftssenator Radunski die vorgesehenen 150 Millionen Mark an Etatkürzungen (1998–2000) auf die einzelnen Hochschulen verteilen will. Danach werden erneut die drei Universitäten sowie die Fachhochschulen des Landes zur Ader gelassen. Ihre Etats werden um jeweils zehn Prozent abgesenkt. Für die Technische Universität würde das einen Rückgang von 530 Millionen Mark (1998) auf 494 Millionen (2000) bedeuten. Überraschend bleiben die Etats der Universitätsklinika unberührt. „Das ist der Skandal überhaupt“, kritisierte der Vorsitzende des Wissenschaftsausschusses im Abgeordnetenhaus, Christian Gaebler (SPD). Die Berliner Medizinstudienplätze sind die teuersten in der Bundesrepublik – laut Entwurf wird an den Klinika aber nicht gekürzt.

Wütende Proteste kamen aus den Fachhochschulen. Die geplanten Kürzungen, sagte der Rektor der Fachhochschule für Wirtschaft, Jürgen Kunze, kämen „einer Aufforderung zur Selbstauflösung der Hochschulen gleich.“ Der Wissenschaftssenator hat den FHs freilich die Möglichkeit eröffnet, Studiengebühren zu erheben. Sie würden „uneingeschränkt den Hochschulen zugute“ kommen, teilte Radunski mit. Christian Füller