Perfekte Dilettanten

■ Musique ohne viel Trallala: Neues von Stereo Total, der Berliner Band um Francoise Cactus und Brezel Göring

Tja, so kann das gehen. Gehörten Stereo Total noch im letzten Jahr zur Fraktion der Berliner Obskur- und „Radical Easy Listening“-Musiker, zieren sie dieses Jahr die Litfaßsäulen der Republik. Das WOM-Journal, das sich stolz „die meistgelesene Musikzeitschrift Deutschlands“ nennt, hat „Monokini“, das zweite Album von Brezel Göring und Françoise Cactus, zum „Album des Monats“ erkoren. Und obwohl Stereo Total damit keine Berührungsängste haben – so begeistert sind sie nicht ob dem „Scheiß, den die sich im Heft ausgedacht haben“, wird dort doch wieder auf dem Klischee der „charmanten deutsch-französelnden Sängerin“ herumgeritten, die mit ihrem brummigen Partner lustige Musik macht.

Ganz überraschend aber kommt der Sprung von Hafenbar und Ankerklause ins WOM-Journal nicht: Für „Monokini“ haben Stereo Total eine recht engagierte Plattenfirma gefunden, die auch schon das übliche Presse-tête-à- tête mit den häppchenweisen Gesprächen inszenierte: „Puh, wir mußten da einen ganzen Tag lang nur über unsere Musik reden“ (Françoise); und aufgenommen wurde das Album diesmal nicht zu Hause, sondern in einem richtigen Studio unter Mithilfe des altgedienten Berliner Produzenten Gerd Blum.

Sorge, daß hier zwei Musiker ihre Reifeprüfung abgelegt haben und sich „Monokini“ nun wie eine geschniegelte High-Tech-Produktion anhört, braucht man jedoch keine zu haben: Stereo Total haben ihre Vorliebe für kaputte und verquere Sounds nicht zu Hause vergessen und aus dem Studio eine ihnen gemäße Rumpelkammer gemacht. So wurden die Synthesizer erst in die Gitarrenverstärker gesteckt und dann aufgenommen, und der für Atmosphäre sorgende Hall wurde nicht „künstlich“ erzeugt – „das klingt immer, als mache man einen Kühlschrank auf“ –, sondern über das Lautstärkepedal eines Klaviers. Einmal bildet auch echter Regen die Geräuschkulisse eines Songs.

Perfektionist, der er ist, hat Brezel Göring die Aufnahmen allerdings noch einmal nachbearbeitet, denn „sie waren immer noch zu gut. Wenn man sie über Kopfhörer gehört hat, waren das richtige Schläge für mich, es klang halt wie eine zeitgenössische Musikproduktion. Ich habe dann alles noch mal auf Tonband überspielt, und da wurde wieder alles verzerrter, rauschiger und komprimierter. Danach ging es erst wieder auf die DAT-Kassette.“

In bewährter Manier kann man also wieder auf den von Brezel selbstgebastelten Syntiesounds surfen – „bis auf zwei klitzekleine Ausnahmen ist da diesmal nichts geklaut!“ –, kann sich an piepsig- quietschigen Geräuschen erfreuen und auch so richtig schrottrocken – den Punk der frühen Jahre hat man trotz aller technischen Möglichkeiten nicht vergessen.

Und Françoise singt (einmal auch auf japanisch, denn das Album wird auch in Japan veröffentlicht) über die Liebe und andere Grausamkeiten, wie es gerade paßt und ihr gefällt. Wobei sie bevorzugt den Gutgläubigen einen Tritt ins Gesäß gibt: sei es als Dame, die ihren Liebhaber am liebsten von hinten sieht, am sehnsüchtigsten aus der Ferne anschmachtet (was ja einleuchtet), sei es als verlassene Liebhaberin, die anstatt stumm zu trauern doch lieber Geschäfte ausplündert und anderen Blödsinn macht.

Doch auch wenn Stereo Total sich viel Mühe geben, ihren Sound auf irgendeine Art „kaputtzukriegen“ und unkenntlich zu machen – die Lieder kann man trotzdem zumeist als Mischung aus Chanson (Françoise) und Frühachtziger- Elektrosounds (Brezel) hören. Was bleibt, ist jedoch nicht die Mottenkiste, sondern Pop und Glamour, komische und krude Schlagermusik, auch leicht zu hörende Unterhaltungsmusik oder einfach nur Musique: „Macht doch da bloß nicht soviel Trallala draus!“ sagt Françoise, und wenn sie auf dem Cover von „Monokini“ als Sixties-Pin-up-Girl auf einem Hundefell sitzt, „ist das doch einfach nur schön, oder nicht? Vielleicht wollten wir auch den Hundeberlinern richtig eins auf die Mütze geben.“

Nur einmal meint man sie fassen zu können, meint man, dem Ziel aller Wünsche von Stereo Total auf der Spur zu sein: „Grand Prix d'Eurovision 1997“ steht auf dem Innersleeve des Covers. Brezel spricht jedoch gleich von einem „Alptraum-Grand-Prix“, denn der gleichnamige Song handelt davon, wie eine Gewinnerin dieses Gesangswettbewerbs völlig daneben und vor allem nackt der Siegerehrung entgegenstolpert.

Eine gewisse Affinität für diesen Wettbewerb mag er aber nicht abstreiten. Denn bevor Stereo Total (mit der Italienerin Angie Reed als neuer Gitarristin) im April auf Tour gehen, werden sie noch einen Urlaub auf Malta verbringen, „nicht zuletzt deshalb, weil Malta im letzten Jahr das einzige Land war, das den unsäglichen deutschen Beitrag mochte“. Gerrit Bartels

„Monokini“ (L'Appareil Photo/ Bungalow/RTD)

Die Record-Release-Party zum Album findet heute um 21 Uhr in Berlin statt. Venue: Pfefferberg, Schönhauser Allee