BSE-Eklat im Europa-Parlament

Abstimmungspanne – Untersuchungsausschuß will der EU-Kommission kein Mißtrauensvotum androhen. Deutsche Abgeordnete: Armutszeugnis für das Parlament  ■ Von Hermann-Josef Tenhagen

Berlin (taz) – Der Untersuchungsausschuß des Europäischen Parlaments zum BSE-Skandal hat sich gestern selbst ein Bein gestellt. Die Abgeordneten stimmten mit 16 zu 3 Stimmen, keinen Druck auf die EU-Kommission auszuüben zur Verbesserung des Verbraucherschutzes. Nur die beiden deutschen Abgeordneten Dagmar Roth-Behrendt (SPD) und Friedrich Wilhelm Graefe zu Baringdorf (Grüne) sowie der britische Labour-Abgeordnete Philipp Whitehead wollten ein bedingtes Mißtrauensvotum gegen die EU- Kommission empfehlen. Alle anderen Abgeordneten stimmten dagegen. Roth-Behrendt nannte die Entscheidung des Untersuchungsausschusses gestern ein „Armutzeugnis für das Parlament“.

Roth-Behrendt und Graefe zu Baringdorf mochten ihren ParlamentskollegInnen trotzdem keine böse Absicht unterstellen. „Wir hätten es vielleicht noch einmal erklären sollen, worüber abgestimmt wird“, sagte Graefe der taz etwas entnervt. Die Abgeordneten seien nach 90 Minuten Debatte ihrer eigenen Geschäftsordnung nicht mehr gewachsen gewesen.

Dem Untersuchungsausschuß lag der Abschlußbericht zum BSE- Skandal vor. 300 Änderungsanträge hatten die ParlamentarierInnen zu diesem Abschlußbericht formuliert, beim Antrag Nummer 145 hakten sie sich fest. Kein Wunder, sah Antrag 145 doch vor, dem ganzen EU-Parlament zu empfehlen, der Kommission ein Mißtrauensvotum anzudrohen. Das Votum zur Ablösung der Santer- Kommission soll zur Abstimmung gestellt werden, wenn die Kommission bis zum Jahresende keine signifikanten Fortschritte beim Verbraucherschutz erreicht.

Vor der entscheidenden Abstimmung zum Antrag 145 gab es ein ewiges Hickhack darüber, worüber in welcher Reihenfolge abgestimmt werden könnte. Schließlich sollten die 19 stimmberechtigten Ausschußmitglieder darüber abstimmen, ob dem Parlament ein Mißtrauensvotum empfohlen wird. Ein Termin für ein solches Mißtrauensvotum sollte in einer getrennten Abstimmung festgelegt werden. Weil aber die ParlamentarierInnen schon in der ersten Runde mehrheitlich nein sagten, gibt es nun keine Empfehlung. Und über die eigentlich umstrittene Frage des Termins für das Mißtrauensvotum brauchte gar nicht mehr abgestimmt zu werden.

Vier der sechs sozialistischen Abgeordneten verzichteten auf die Empfehlung, zum Teil wohl, weil zuvor ihre eigenen Formulierungen keine Gnade gefunden hatten. Das Chaos komplettierte der unerfahrene CDU-Europaabgeordnete Lutz Göpel. Er hatte offenbar die Abstimmung nicht verstanden und zeigte als Vorturner seiner Fraktion mit dem Daumen nach unten die falsche Abstimmungsrichtung an, obwohl seine Fraktion eigentlich auch für besseren Verbraucherschutz eintritt. Schwupp war die Drohung mit dem Mißtrauensvotum durchgefallen.

Graefe zu Baringdorf nahm die Abstimmungspleite gestern relativ gelassen: „Natürlich ist das ein peinlicher Verkehrsunfall.“ Aber die Unterschriften, um ein Mißtrauensvotum einzubringen, lägen schon vor. „Und wenn die Kommission unseren Forderungen nicht nachkommt, werden wir diesen Mißtrauensantrag eben doch im Parlament einbringen.“