Freiburger Grüne schlichten Streit

■ Nach monatelangem Hickhack haben die Freiburger Grünen doch noch eine Umweltbürgermeisterin gefunden

Freiburg (taz) – Bürgermeisterposten zu besetzen galt bisher als Spezialität der baden-württembergischen Grünen. Neben dem Sieg bei der Konstanzer OB-Wahl verfehlte Rezzo Schlauch in Stuttgart zwar das Amt, holte aber 40 Prozent. In Freiburg brauchte man jedoch ein halbes Jahr, um sich am Mittwoch mit der Frankfurterin Gerda Stuchlik auf eine neue Umweltbürgermeisterin zu einigen.

Dabei hatte man Anfang September doch zum großen Coup ausgeholt, nachdem der grüne Umweltbürgermeister Peter Heller seinen Rücktritt ankündigte: Gemeinsam mit der CDU war die Streichung des SPD-Kulturbürgermeisters geplant. Die neue grüne Bürgermeisterin hätte dann das Superressort „Umwelt und Kultur“ verwalten dürfen.

Der Wurf aber geriet zum Bumerang: Nach Protesten der Kulturszene kam die Kultur als „Chefsache“ zum SPD-Oberbürgermeister Rolf Böhme, den man mit dem Manöver doch hatte schwächen wollen.

Nicht besser lief es bei der Kandidatenfrage. Die Findungskommission entschied sich gegen ihren umweltpolitisch unerfahrenen Stadtrat und Landtagsabgeordneten Dieter Salomon und für die Bremerin Rita Kellner-Stoll, Umweltabteilungsleiterin im dortigen Senat. Kellner-Stoll hatte allerdings einen Haken – sie ist SPD- Mitglied. Einen SPD-Bürgermeister abschaffen und das grüne Dezernat sozialdemokratisch besetzen? Da hagelte es Proteste aus der grünen Landtagsfraktion und plötzlich verabschiedete sich auch die CDU: Vor der Abstimmung um die Neuverteilung der Dezernate drohte die Union, gemeinsam mit der SPD den grünen Bürgermeisterposten abzuschaffen – es sei denn, so ließ der CDU-Fraktionschef verlauten, die Grünen würden sich für den grünen Realo Dieter Salomon entscheiden.

Völlig erschreckt ließen die Grünen nun Kellner-Stoll fallen und bestätigten doch noch gemeinsam mit der CDU die Streichung des SPD-Dezernates. Schwarz- Grün, dann Schwarz-Rot und doch wieder Schwarz-Grün – die Bürger wunderten sich.

Bei der Kandidatenkür auf der grünen Mitgliederversammlung kurz vor Weihnachten war nur noch Dieter Salomon übriggeblieben – und die Erpressung der CDU in aller Munde. Eine starke Gruppe befürchtete, die Union könnte jede andere Kandidatin durchrasseln lassen und von der beleidigten SPD sei eh keine Hilfe zu erwarten.

Die knappe Mehrheit der Mitglieder war jedoch mutiger. Ausgerechnet in der Öko-Hauptstadt Freiburg das Umweltdezernat zu streichen, das sollten sich die CDU und SPD erst einmal trauen. Mit 52 zu 44 Stimmen wurde die Kandidatensuche neu eröffnet. Nachdem zwei Tage später die SPD-Fraktion nun plötzlich „jeder geeigneten Kandidatin offen“ war, schien Rot- Grün mit einem Kater wieder aufzuwachen. Die verstärkte Wiederaufnahme der Kandidatensuche zeigte Wirkung: Die persönliche Referentin des Frankfurter Umwelt- und Finanzdezernenten Tom Koenigs, Gerda Stuchlik, bekam unter 56 Bewerbungen die Unterstützung der Fraktion. Die Erfahrung in Sachen Umwelt, Bildung und Verwaltung der 38jährigen überzeugte am Mittwoch abend auch die grüne Mitgliederversammlung: 88 Ja- und nur drei Gegenstimmen. Der demontierte Dieter Salomon war derweil von seinem Gemeinderatsmandat zurückgetreten und blieb der Versammlung fern.

Dort war der weitere Weg umstritten: Ist eine Politik der wechselnden Mehrheiten in der süddeutschen Gemeindeverfassung angelegt oder gibt es noch einen natürlichen roten Bündnispartner? Mal mit der CDU zu stimmen war dabei für die meisten erlaubt, nur dürfe es nicht wieder in die Hose gehen. Mit der offiziellen Wahl von Gerda Stuchlik am 18. März durch den Gemeinderat dürfte jedenfalls ein grüner Wunsch in Erfüllung gehen: endlich Frieden in Freiburg. Achim Berge