Suweräneteht

Ich geb das zu: Herr Blüm schafft das immer wieder bei mir. Mit sein' Dialekt, seine menschliche Ausstrahlung und manchmal sogar mitte Sachen, die er so von sich gibt: Daß wir zun Beispiel alle in ein' Boot sitzen und gemeinsam den Riem' enger schnallen müssen. Und daß de altersmäßige Grundversorgung vonne Rente her absolut abgesichert ist, wenn man da von 70% auf 63% runtergeht und dafür bloß de Hälfte vonne Renteneinkünfte versteuert. Und wenn de Dauerarbeitslosen und Berber alle ne eigene Firma gründen wie inne Vereinigte Staaten, denn macht de Arbeitslosenstatistik auch nicht mehr ein' auf Gipfelstürmer wie unse Aktienkurse oder de Kurven vonne Unternehmergewinne. Klar, diese Klopse bring' de annern Politiker auch, aber wie unsen lütten Nobby das draufhat... Vielleicht, weil er selber aus ne Arbeiterfamilie kommt und weiß, wie das ist. Außerdem hat man ihn schon in seine Zeit aussen 2. Bildungsweg ein' „Herz-Jesu-Marxist“ genannt, was seine Anhänger bis heute de Trän' inne Augen treibt. Denn grade de Marxisten inne CDU habn de meiste Pauer. Als ich so weit gekomm' war mit meine Ausführung', unterbricht mich der Zahnarzt Herr Dr. Raffler, der grade mal wieder seine Depri-Fase durchmacht, wo er denn alles haßt, was mit KONSUM zusamm'hängt (neulich wollte er sogar seine Segelyacht de „Hinz und Kunz“-Leute überlassen!), und sagt: „Ich empfinde das Verhalten des Herrn Blüm eher als anbiedernd und populistisch.“ „Wieso das denn?“, fragt Sonnenbank-Heinzi, der grade aus sei'm Fittneß-Center kommt und sein Badelaken vor mein' Kiosk auswringt. „Nun, ich muß gestehen“, sagt Herr Dr. Raffler, „mir liegen diese hanseatischen Politiker viel näher. Ihre fast englische Souveränität...“ „Ach“, staunt Heinzi, „wo zeigt sich die denn?“ Heinzi, der ja von' Porsche bis zu de Brilli-Rolex alles hat, was den Mann von Welt ausmacht, möchte sich auf Deubel-komm-raus auch das Karißma von ein' vornehm' Menschen abgucken. Darum seine Frage. „Die zeigt sich zum Beispiel darin“, erklärt Herr Dr. Raffler, „daß sie ständig signalisieren, daß Geldprobleme sie persönlich überhaupt nicht tangieren, daß sie wirklich darüberstehen.“ „Aber das stimmt doch gar nicht“, meint nu Sachbearbeiter Mettastas von' Sozialamt, der sich ab und zu de Zeitschrift Monopoly bei mir holt, damit er sich in seine Dienststelle beschäftigen kann, denn da fällt ihn de Decke auffen Kopp, weil das für ihn immer weniger zu tun gibt, „so wie unsere Senatoren sich für das Allgemeinwohl einsetzen! Besonders aber für die Belange der Randgruppen! Da kämpfen sie doch um jeden Pfennig! Wenn sie zum Beispiel 6 Bibliotheken schließen und dafür 5 Suppenküchen eröffnen!“ „Nein“, schüttelt Herr Dr. Raffler den Kopf, „das habe ich nicht gemeint. Ich wollte lediglich auf die Schmutzkampagne in den radikalen Medien anspielen, wo behauptet wurde, wer eine Amtszeit als politischer Beamter in leitender Stellung absolviert habe, könne vom 55. Lebensjahr an monatlich ein Ruhegeld von 10.000 Mark beanspruchen. Wer eine zweite Legislaturperiode durchhielte, sogar vom 50. Lebensjahr an eine Monatsrente von 13.000 Mark. Unser Erster Bürgermeister hat dann einem Herrn von dieser Journaille, der ihn in dieser Angelegenheit ansprach, die passende Antwort gegeben: „Warum sind Sie denn nicht Senator oder gar Erster Bürger- meister geworden?“ Also, ich muß sagen, wenn ich da so über nach- denk, beeindruckt mich sowas auch mehr als das Gesabbel von dem Blüm.