■ Rosi Rolands Bremer Geschichten
: Fälscherwerkstatt des Senats

Am 29. Januar war der große Tag der Großen Koalition – da traf sich der Bremer Senat in Klausur und beschloß, wie es mit Bremen weitergehen soll bis zur Jahrtausendwende, kohlemäßig. Nicht alle SenatorInnen sind voll mitgekommen, wie das da über die Bühne ging, alle haben aber auftragsgemäß das, was ihnen ihre Behörde als Bedenken gegen die Kürzungsquoten aufgeschrieben hatten, zu Protokoll gegeben.

Als dann am Tag danach das offizielle Protokoll verteilt wurde, da blieb so manchem Senator doch der Mund sperrangelweit offen: Drei Seiten dünn ist das Beschlußwerk, kein Wort von Protokollerklärungen. Wenn Historiker später einmal – oder Bonner Finanzvertreter demnächst – den Gang der Dinge im Bremer Senat nachvollziehen wollen anhand der Beschlüsse, werden sie finden: alles einstimmig, alles einhellig, alles Paletti.

Hatte nicht der Innensenator zu Protokoll gegeben, daß er nicht weiß, wie er die durch die Spar-Vorgaben gerissene „Lücke“ in seinem Etat schließen kann? Hatte nicht der Justizsenator zu Protokoll gegeben, daß die Einnahmen viel zu hoch eingeplant sind, daß zudem der „innere Zusammenhang zwischen Gebühren und Gegenleistung“ vom Finanzsenator ignoriert worden sei? Daß bis zum Jahre 2000 eine Lücke von ca. 34 Millionen droht? Hatte nicht der Arbeitssenator erklärt, daß er die Drittmittel nicht „binden“ könne, wenn die Eigenmittel derart zusammengestrichen werden? Hatte nicht die Sozialsenatorin darauf hingewiesen, daß die Einnahmen aus Kita-Gebühren jedes Jahr um zwei Millionen geringer ausfallen als auf dem Papier steht? Hatte nicht der Wirtschaftssenator darum gebeten, seine Investitions-Töpfe von den Kürzungen auszunehmen? Hatte nicht der Häfensenator zu Protokoll gegeben, er verstehe den Unterschied zwischen Investitionen und konsumtiven Ausgaben für seinen Bereich nicht? Und so weiter. Einige der SenatorInnen verwiesen auf Briefe, mit denen sie in den Tagen vor dieser Klausur die Unmöglichkeit der geplanten Spar-Ziele mitgeteilt hatten. Kaum jemand, der nicht in jener Senatssitzung Erklärungen zu Protokoll gegeben haben wollte, die das formell beschlossene Sparziel für den eigenen Bereich infrage stellen sollten.

Alles Träumer. Im Protokoll des Senats steht nichts vom großen Lamento. Und was nicht im Protokoll steht, war nicht. Müllt mir nicht den Papierkorb zu, muß einer aus der Fälscherwerkstatt des Senats geflucht haben.

Rosi Roland