Geister im Sakralbau

■ Hans-Ola Ericssons gab phänomenales Konzert im Dom

Zur von Grund auf veränderten Basis der Musikszene in Bremen gehört auch die Besetzung der neuen Professur für Orgel an der Hochschule für Musik durch den Schweden Hans-Ola Ericsson. Er ist ein reflektierender, die Dinge in Frage stellender Interpret, was bei diesem Instrument etwas heißt: Denn auch neue Kompositionen für Orgel sind häufig mit einem weitläufig sakralen „Sound“ ausgestattet. In welch großartiger Weise und souveräner Virtuosität Hans Ola Ericsson genau diesen Punkt „überspielt“, war nun in seinem gut besuchten Einstandskonzert an der Sauer-Orgel im Dom zu hören. Die farblichen und strukturellen Dimensionen der Orgel wurden von ihm auf eine geradezu explodierende Weise bei gleichzeitig wunderbarer Detailgenauigkeit ausgespielt.

Hans-Ola Ericsson spielte ein Programm mit zeitgenössischer skandinavischer Musik und setzte in die Mitte das sechstimmige Ricercar aus dem „Musikalischen Opfer“ von Johann Sebastian Bach. Der morbid neoklassischen Sonate von Oskar Lindberg (1924), die Ericsson mit einer gehörigen Portion Ironie interpretierte, folgte eine inspirierte Ausweitung durch die Elektronik von Dror Feiler: „Die Versunkenen und die Geretteten“ hieß das 1996 entstandene programmatische Werk, in dem man Fratzen und Geister zu sehen glaubte. Dann die geradezu berstende Pfingstkomposition von Torsten Nilsson: „Zungen wie von Feuer“ regneten buchstäblich auf das Publikum herab. Hans-Ola Ericssons eigene Komposition – die beste des Programms! – „Melody to the Memory of a Lost Friend“ (1985 für Orgel und Tonband) bot in der Koppelung der Klangfarben einen völlig andersartigen Umgang mit den vorhandenen Registern. Und dann schien Stephen Ingham (geboren 1951) mit der ganzen Sakralität und affirmativen Bombastik der Orgelmusik generell aufzuräumen: „Maroondah Merzbau“ für Orgel und Tonband hieß seine Abrechnung, mit deren nicht endenwollenden Tonbandquerschlägen auch die zum Schmunzeln gebracht wurden, die sich in einem Orgelkonzert zunächst nicht amüsieren wollten. Fazit: Von Ericsson sind produktive und zugleich lustvolle Stachel zu erwarten.

Ute Schalz-Laurenze