Jobs für übermorgen
: Herr der Walzen

■ PapiermacherIn ist ein moderner High-Tech-Beruf

Auf dem Arbeitsmarkt wird es enger und enger. Ausbildungsplätze sind rar. Doch einige Nischen gibt es noch. Nischen, in denen der Arbeitsmarkt noch ein wenig Luft hat, noch Arbeitsplätze und Lehrstellen bietet. Die taz-Serie „Jobs für übermorgen“ stellt einige davon in der Bildungsbörse vor.

Seine Maschine braucht fast soviel Platz wie die Kubatur von 300 Einfamilienhäusern. 200 Meter ist sie lang, zehn Meter breit, rund 450 Millionen Mark schwer. Georg Ammann klettert durch das verzweigte Metallgeäst des Kolosses. Kontrollgang an der Papiermaschine. Stimmt das Stoffwassergemisch? Muß der Filz auf den Walzen erneuert werden? Ist das Sieb noch in Ordnung? Übersieht Georg Ammann Mängel, kann es für das Unternehmen teuer werden. Zum Beispiel wenn die acht Meter breite Papierbahn reißt.

Georg Ammann ist Papiermacher. Hinter dem etwas angestaubten Namen seines Jobs verbirgt sich ein ganz moderner Beruf. Die Zeiten, in denen Papier im Bottich geschöpft wurde, sind längst vorbei. Im Haindl-Werk Schongau ziehen heute die größten Maschinen stündlich achtzig Kilometer Papier auf die Walzen. 650 Tonnen pro Tag, bis zu 230.000 Tonnen jährlich. Reserveschichtführer Ammann überwacht und lenkt den Herstellungsprozeß an computergesteuerten Schaltanlagen auf Hundertstel Millimeter genau: Dünne Papierbahnen für Telefonbücher, etwas festere für Zeitungen, ganz dicke, 54 Gramm schwer, für Prospekte.

Bis zu acht PapiermacherInnen arbeiten an so einer Maschine. High-Tech-Anlagen, für die man jede Menge Know-how braucht. Die Hälfte seiner Arbeitszeit sitzt der 30jährige am Computer. Ein Mausklick reicht, schon hat der Papierbrei die richtige Konsistenz, um verteilt, gepreßt, getrocknet und aufgerollt zu werden. „Ich fand es reizvoll, einen ganz unbekannten Beruf zu ergreifen“, sagt Ammann, „zudem lernt man viel auf unterschiedlichen technischen Gebieten.“

Zur theoretischen Ausbildung im Papiermacherzentrum Gernsbach gehören Meß- und Regeltechnik ebenso wie Elektronik und das Einmaleins der Papierverarbeitung. Nach drei Jahren wartet ein Arbeitsplatz in der Stoffaufbereitung, an der Papiermaschine oder in der Veredelung.

Denn arbeitslose Papiermacher sind rar. Sie waren selbst 1993, in der Rezession, undenkbar, heißt es in der Branche. Klaus Nebe vom Arbeitgeberverband Bayerischer Papierfabriken ist sich sicher: „Die Arbeitsmarktchancen sind prächtig.“ Die Papierindustrie sucht händeringend Nachwuchs: Bis zum Jahr 2000 werden jährlich rund 400 neue PapiermacherInnen gebraucht.

Ein Traumjob für Technikfreaks? Fast. Denn einen Haken hat die Arbeit: Schicht- und Wochenenddienste sind Pflicht. Die großen Maschinen müssen rund um die Uhr laufen, um sich zu rentieren. Georg Ammann findet das gar nicht so übel: „So kann ich Skifahren, ohne mich wie am Wochenende an überfüllten Lifts drängeln zu müssen.“ adi