: Mit starrem Blick auf den Euro
Finanzminister der G 7 wollen heute in Berlin nur über die Europäische Währungsunion reden. Kein Interesse an Yen-Schwäche ■ Aus Tokio Georg Blume
Nach außen wird es so aussehen, als seien sich die Schatzmeister der Welt einig. „Vor einem Jahr wollten alle einen stärkeren Dollar. Jetzt haben wir ihn“, setzte Bundesfinanzminister Theo Waigel in dieser Woche den Akzent für das heutige G-7-Treffen der Finanzminister in Berlin. Schon im voraus waren sich die Regierungen der sieben reichsten Industrieländer (Deutschland, Japan, Frankreich, Italien, Kanada, Großbritannien und die USA) einig, daß man in Berlin bezüglich der internationalen Entwicklung auf den Währungsmärkten Optimismus ausstrahlen wolle.
Ähnlich wie Waigel lobten in den letzten Tagen auch der französische Staatspräsident Jacques Chirac und der japanische Finanzminister Hiroshi Mitsuzuka die Entwicklung des Dollars, der während des vergangenen Jahres im Vergleich zu Mark und Franc um 11 Prozent und gegenüber dem Yen sogar um 15 Prozent gestiegen ist. Bonn, Paris und Tokio erhoffen sich von einer Abwertung ihrer Währungen günstigere Exportbedingungen; US-Finanzminister Robert Rubin möchte seinen Bundeshaushalt mit Hilfe der Anlagekapitalien, die vor allem aufgrund der Yen-Schwäche in die USA fließen, langfristig konsolidieren.
Hinter dieser demonstrativen Einheitsfront in der Währungspolitik, die der Direktor des Internationalen Währungsfonds, Michel Camdessus, jetzt als „bemerkenswerten Erfolg der G 7“ bezeichnete, verbergen sich jedoch neue Währungsrisiken, die die Akteure bisher nicht ins Auge fassen. So erscheint die historische Trendwende des Yen – die japanische Währung fiel gestern auf ihr tiefstes Dollarniveau seit Anfang 1993 – zwar als wichtigster währungspolitischer Unsicherheitsfaktor der kommenden Monate. Die G 7 aber drängt, die Entwicklung so zu lassen, wie sie ist: „Diskussionsrunden zum Yen“ seien in Berlin nicht zu erwarten, gab der japanische Finanzminister diese Woche im Tokioter Parlament zu Protokoll. Hauptthema des G-7-Wochenendes, so Mitsuzuka, sollte Waigels Lieblingskind, der Euro, werden.
Der Euro allerdings ist noch Zukunftsmusik. Trotz der wichtigen Weichen, die es 1997 für den geplanten Beginn der Europäischen Währungsunion im Jahr 1999 zu stellen gilt, kann sich auf den internationalen Währungsmärkten in den nächsten zwei Jahren so viel ereignen, daß die Pläne von heute schnell zu Makulatur werden. Der Yen ist ein solcher Faktor, der erheblichen Einfluß auch auf die deutsche Finanz- und Wirtschaftspolitik haben könnte.
„Kohls Politik neigt dazu, den Nutzen der Währungsunion zu überschätzen“, kritisierte der niedersächsische Ministerpräsident Gerhard Schröder (SPD) kürzlich. „Der Euro darf kein Ersatz für eine Außenwirtschaftspolitik sein.“ Schröder hat insofern recht, als sich währungspolitisch gegen einen schwachen Yen zur Zeit wenig vorbringen läßt. Japan hat im Anschluß an den Plaza Accord der G 7 von 1985 über zehn Jahre hinweg eine Yen-Aufwertung nach der anderen über sich ergehen lassen. Diese Politik war vom Westen gewollt, um der japanischen Exportexpansion Grenzen zu setzen, führte in letzter Konsequenz aber auch zu der jetzigen Banken- und Finanzkrise, die das tiefe japanische Zinsniveau bedingt und den Yen-Sturz der vergangenen Monate ausgelöst hat. Es läßt sich aus G-7-Sicht also wenig dagegen sagen, wenn Tokio nach zehn Jahren westlicher Währungsdiktatur die Zins- und Währungsschraube lockert, um den eigenen Laden wieder in Schwung zu bekommen. Umgekehrt aber bringt das den Deutschen bislang wenig beachtete Sorgen.
„Wir betrachten die Yen- Schwäche aufmerksam, weil sie unserem Geschäft nicht nützlich ist“, sagte gestern Jörg Raupach, Geschäftsführer des führenden deutschen Werkzeugmaschinenherstellers Trumpf in Japan. Wie Trumpf müssen die meisten deutschen Werkzeugmaschinenbauer mit Wettbewerbsnachteilen gegenüber der ausländischen Konkurrenz rechnen: Unter den größten 25 Unternehmen der Branche stammen 16 aus Japan.
Für Jesper Koll, Chefökonom der amerikanischen Investmentbank JP Morgan in Tokio, setzen die Europäer deshalb an diesem Wochenende in Berlin mit dem Euro auf das falsche Thema: „Die Japaner sehen darin die Chance, daß die Europäer weitgehend mit sich selbst beschäftigt sind und in Asien und Amerika die Zügel schleifen lassen.“ Es könnte also sein, daß das Stichwort „Normalisierung“, mit dem Theo Waigel und Bundesbankchef Hans Tietmeyer in diesen Tagen die internationale Währungssituation charakterisierten, die wichtigsten weltwirtschaftlichen Herausforderungen für Deutschland verschweigt.
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