■ Vorschlag
: Wer war Edmund F. Dräcker? Das Phantom von Bonn im Acud

Die Männerwelt der Diplomaten ist sehr strange: Seltsame Figuren bevölkern die Botschaften und machen ab und an recht durchgedrehte Scherze. Irgendwann 1937, „beim Bierchen“, wie es in der Diplomatensprache heißt, erfanden Mitglieder der deutschen Botschaft in Rom einen Fake-Diplomaten mit dem bezeichnenden Namen Edmund F. Dräcker. Der Archivar des Auswärtigen Amtes stattete den Ministerialdirigenten mit einer Akte aus, in der sämtliche Aktivitäten des fiktiven Beamten dokumentiert wurden und sein Geburtsdatum – lustig, lustig – auf den 1. April 1888 datiert wurde. Was als auswärtiger Scherz begann, wurde von den Nazis im Reich durchaus ernst genommen, die der fiktiven Figur hinterherrecherchierten.

Mit großer Begeisterung wurde Dräcker, Nachfahre der „von Le Dreque“ (kicher, kicher!) von einigen Diplomaten in Nachkriegsdeutschland adoptiert und geisterte 30 Jahre lang durch die wilde Welt des Auswärtigen Amtes. Die eher konservativen „Dräckerianer“, Botschafter zumeist, lancierten verschmitzt, wie es ihre Art ist, immer wieder Nachrichten über die Hintergrundaktivitäten des fiktiven Beamten, der mal Geschäftsträger in Moskau war, mal seltene Schmetterlinge in Indien jagte, mal wichtige Finanzverhandlungen in New York führte und als unser Mann auch bei der Gründung der SED dabei war.

Gern witzelten die Eingeweihten am Rand wichtiger Pressekonferenzen über den Mann im Hintergrund, der „immer zur Stange gehalten hatte, egal welche Fahne dran hing“. Ab und zu sorgten die onkelhaften Fakegeschichten gar für kleinere diplomatische Verwicklungen. Als es etwa hieß, Dräcker habe in der Antarktis eine BRD-Fahne in eine Scholle gerammt, um bundesrepublikanische Ansprüche geltend zu machen, reagierte die DDR mit wütenden Protestnoten – und war mal wieder die Dumme.

Claus Strobl, dessen Film über den Miethai Günter Kaußen (“Ich bin nicht Gott, aber wie Gott“) 1995 für den deutschen Filmpreis nominiert wurde, geht in seiner nachinszenierten Dokumentation mit Fiktionelementen (Dräcker taucht tatsächlich auf) den Spuren des unermüdlichen Berufsbeamten nach. Sein im guten Sinne zuweilen recht verwirrender Film, ist nicht nur komisch, sondern auch mentalitätsgeschichtlich aufschlußreich. Denn in erster Linie ist die Figur des Phantombeamten, über den die als Diplomaten recht überzeugenden Schauspieler (Hermann Lause, Charles Brauer, Jürgen Schmidt) erzählen, eine Projektion seltsamer Männer/Beamten- Phantasien.

Während die Dräckerianer fleißig und korrekt ihre „Hausaufgaben“ machten, darf ihr Held aussteigen, in Indien zum Guru werden und auch fleißig den Frauen „zusprechen“. Irgendwann bekam Genscher den „Orden wider den tierischen Ernst“, weil sein Amt an der seltsamen Spießerphantasie festhielt, 1967 „entlarvte“ der Spiegel das „Phantom von Bonn“, 1989 verabschiedete sich das „AA“ ganz offiziell von seinem Fünfziger-Jahre-Fake. Detlef Kuhlbrodt

20 Uhr, Acud, Veteranenstraße 21, Mitte