Ordinarius läßt grüßen

■ Argwohn in den Unis: Die "Erprobungsklausel" führt zurück zu selbstherrlichen Lehrstuhlchefs. Parlament beschließt heute

Der Kampf um die inneruniversitäre Demokratie ist voll entbrannt. Universitätsangehörige wehren sich gegen die sogenannte Erprobungsklausel, mit der der Wissenschaftsausschuß aller Voraussicht nach heute rund 70 Paragraphen des Berliner Hochschulgesetzes (BerlHG) für Experimente freigeben wird. „Wir lehnen das komplett ab“, sagte die Hochschulreferentin des Asta der Freien Universität, Ulrike Gonzales. Die Klausel mache die Bahn frei für die Entmachtung der Selbstverwaltungsgremien wie dem Akademischen Senat.

CDU und SPD wollen mit ihrem Antrag neue Leitungsmodelle in der Uni ermöglichen, die „der Vereinfachung der Entscheidungsprozesse dienen“. Dem Beschluß steht angesichts der schwarz-roten Koalitionsmehrheit nichts entgegen. Die Unis können die Klausel umsetzen, indem sie dem Wissenschaftssenator etwa modifizierte Gremienzuständigkeiten vorschlagen.

Die Frauenbeauftragte der Technischen Universität (TU), Heidi Degethoff de Campos, warnt vor der Novellierung des BerlHG. Sie konzentriere universitäre Entscheidungsstrukturen auf den Präsidenten oder „starke Dekane“. Das sei ein veraltetes hierarchisches Modell, das selbst in der Wirtschaft nicht mehr angewandt werde, sagte de Campos. Die Frauenbeauftragte sieht einen Rückschritt hin zur Ordinarienuniversität, in der die Lehrstuhlinhaber selbstherrlich Entscheidungen treffen könnten. Dies widerspreche der „akademischen Kultur der Universität“.

Degethoff de Campos befürchtet, daß gerade an der TU der Ordinarienherrlichkeit Tür und Tor geöffnet sei. Der neugewählte Präsident Hans-Joachim Ewers mache keinen Hehl daraus, daß die Selbstverwaltung die Effizienz der Uni behindere. „Wenn dieser Präsident zum Beispiel allein mit den Dekanen (den Leitern der Fachbereiche) über die Entwicklungsschwerpunkte der TU entscheiden kann, dann geht hier wirklich alles flöten.“ Bislang haben Studierende, Mitarbeiter, Professoren sowie die Frauenbeauftragte in den Gremien gesetzlich zugesicherte Mitwirkungsmöglichkeiten.

Ulrike Gonzales von der FU fürchtet, daß die Experimentierfreude wichtige Kommissionen gefährdet. Die Kommission für Lehre und Studium, zur Hälfte mit Studis besetzt, könne durch die Erprobungsklausel ausgehebelt werden. Diese „Berliner Besonderheit“ sei durch das Hochschulrahmengesetz nicht geschützt – und allein dieses Bundesgesetz begrenzt den Veränderungswillen an den Unis. cif