Wie aus einer Hommage eine Blamage wird

■ Schöneberg streitet sich weiter um eine würdige Ehrung von Marlene Dietrich. Neuester Dissens: Soll der Kaiser-Wilhelm-Platz nach der Diva benannt werden?

Eine Hommage sollte es werden, eine Blamage ist es längst geworden. Die Schöneberger Bezirksverordneten liegen weiter im Clinch um eine würdige Ehrung der Filmdiva Marlene Dietrich. Neuester Streitpunkt: Ein Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen an die BVV-Versammlung, den Kaiser-Wilhelm-Platz nach Marlene Dietrich zu benennen. „Dem werden wir nicht zustimmen“, sagt SPD-Fraktionsvorsitzender Hanns Leske. „Nicht mit uns“, sagt auch Reinhard Pospieszynski, CDU-Fraktionschef. Pospieszynski geht davon aus, daß der Antrag der Bündnisgrünen in der morgigen BVV keine Mehrheit finden und die unendliche Geschichte der Marlene-Dietrich-Ehrung weitergehen wird.

Die Fronten im Rathaus Schöneberg sind seit längerem verhärtet. Die CDU beharrt weiter darauf, den Bahnhofsvorplatz Papestraße nach Marlene Dietrich zu benennen, die SPD besteht auf den Tempelhofer Weg, der den Namen der Diva tragen soll, und die Bündnisgrünen schwanken hin und her: Erst sollte es der künftige Regionalbahnhof Papestraße sein, der nach Marlene umbenannt werden sollte, jetzt ist es der Kaiser-Wilhelm-Platz.

Zusätzlich angestachelt wurde die Diskussion durch Briefe wütender Schöneberger Bürger an die Rathaus-Fraktionen. Von Vaterlandsverräterin war die Rede (1930 hatte Marlene Dietrich Deutschland verlassen, 1937 nahm sie die amerikanische Staatsbürgerschaft an); außerdem werfen die Schöneberger der Dietrich heute noch vor, einst die Uniform der US Army getragen zu haben. 1945 war Marlene Dietrich mit den siegreichen amerikanischen Truppen im Rang eines Hauptmanns der US Army in Deutschland einmarschiert.

Als „unverständlich und unwürdig“ bezeichnet Fred Ostrowski, Künstler und „Marlene-Fan aus Leidenschaft“, die anhaltende Diskussion. „Ich finde es bedauerlich, daß Sie weiterhin an dem Tümpelweg Tempelhofer Weg festhalten“, schrieb Ostrowski in einem Brief an den SPD-Fraktionsvorsitzenden Hanns Leske, der die Gewerbegebietsstraße Tempelhofer Weg trotz aller Bedenken favorisiert. „Besser keine Straße in Schöneberg nach Marlene zu benennen als diese Gosse“, findet der Marlene-Fan und fügt hinzu: „Dieser Weg hat keinen Charme, er ist einfach nicht marlenig.“

Inzwischen hat sich auch Hanne Hiob, Tochter von Bertolt Brecht, in den Streit eingeschaltet. In knapper Form hat sie formuliert: Marlene-Dietrich-Straße! Eine gegen Hitler! Alle gegen sie: Berlin! „Ich glaube, damit ist alles gesagt, was ich von dem Ganzen halte.“ Jens Rübsam