„Sag mir, wo die Rinder war'n!“

■ Mit Max Raabe in die Zeit, in der Lieder sich noch reimten

Der Berliner Sänger Max Raabe ist das beste an den Filmen von Sönke Wortmann. In „Der bewegte Mann“ entzückte er mit Songs wie „Kein Schwein ruft mich an“, im „Charlys Tante“-Remake brillierte er als Darsteller. Noch entzückender ist er allerdings ohne Film drumherum. Am Montag stand er mit dem Palast Orchester auf der Bühne der Glocke und gab Musik aus den 20ern und 30ern. Musik mit kontrolliertem Swing und Texten voll skurrilem Witz und halsbrecherischen Reimen.

Während das Verbale wild wucherte, übte sich die Körpersprache des schnieken Entertainers in Understatement. Gab es gerade nichts zu singen, setzte er sich gesittet hin, faltete die Hände im Schoß und schaute höchstens mal mit gespielter Verwunderung dem Solospiel seiner Kollegen zu. Dabei schillerte vor allem Violinistin Katharina Kowalski, die dem Orchesterklang eine unklebrige Süße verlieh. Aber auch vom Rest des Ensembles gab es ordentlich was zu hören: Kastagnetten sorgten für spanisches Flair, und bei „Mein Bruder macht beim Tonfilm die Geräusche“ wurden furios Klingeln, Schüsse, Züge und Sirenen imitiert. Raabe selbst gelang dabei mit vor den Mund gehaltenen Händen ein täuschend echtes Grammophon. Seine Stimme machte auch die Ansagen zur Schau.

Geschickt setzte er einstudierte Sprachfehler ein. Mit dieser Stimme informierte er über die Herkunft der einzelnen Lieder oder kommentierte die Texte. Darunter auch eine kleine Anekdote vom Bonner Presseball, wo der Kanzler die „Capri-Fischer“ hören wollte und der Sänger zugeben mußte, daß er dieses Stück nicht im Repertoire habe. Es sei für ihn eine Schande gewesen, seinem Herrscher nicht dienen zu können. So wurde der Evergreen einstudiert und in der Glocke stilecht in rotem Licht gespielt.

Höhepunkte des Abends waren Raabes eigene Stücke, die Klassikern in nichts nachstanden. Da flehte man im Angesicht einer mannstollen Spanierin „Carmen, hab Erbarmen“ oder wendete sich aktuellen Themen zu: „Rinderwahn – sag mir, wo die Rinder war'n!“ Besonders schön das Stück namens „Schlaf wie das kleine Saxophon“. Es handelte davon, wie müde all die Instrumente schon seien. Immer, wenn ein neues Instrument besungen wurde, packte der jeweilige Musiker ein und ging. Bis zur letzten Textzeile: „Und nun, mein kleiner Liebling, schlaf auch du!“ Da fühlte man sich endlich mal in einem rappelvollen Saal persönlich angesprochen und war glücklich.

Andreas Neuenkirchen