■ Mostar: Steht die Region vor neuen militanten Konflikten?
: Gefährliche Scharmützel

Es wird wieder gezündelt in Bosnien. Im Norden bei Brčko sind es die Serben, die Sarajevo mit einem neuen Waffengang drohen, sollte das Nadelöhr, der Korridor im Save-Tal, diese West-Ost-Verbindung zwischen Banja Luka und Pale, nicht ihrer Serben-Republik einverleibt werden. Im Süden sind es die Kroaten, die das geteilte Mostar ganz für sich beanspruchen und das Ghetto im Ostteil immer weiter einschnüren. EU und UNO schauen der Dreiteilung des Landes zu. Warum auch eingreifen, wenn die muslimische Führung in Sarajevo selbst jede Option eines Bosnien in seinen ehemaligen Grenzen verwirft?

Slobodan Milošević in Belgrad und Franjo Tudjman in Zagreb wissen, solange in Sarajevo Muslimführer Alija Izetbegović an der Macht bleibt, können sie sich ihre Kriegsbeute noch im Frieden vergrößern. Sollte einmal auf lokaler Ebene Widerstand aufkommen, dann greift man eben kurz zu den Waffen, da bricht bei den muslimischen Bosniern schnell jeder Protest in sich zusammen. Izetbegović setzt auf den Islam und Hilfe aus dem Iran, Tudjman träumt vom Großreich Kroatien wie unter König Tomišlav vor tausend Jahren, Milošević sieht sich als Slawenheld, umringt von Feinden, als Verteidiger orthodoxer Werte und Kämpfer gegen den dekadenten Westen.

Alle drei Spinner schmücken sich mit ihrer Unterschrift unter den Befriedungsvertrag von Dayton, dem einjährigen Waffenstillstand für Bosnien. Alle drei wissen, solange sie nur auf kleiner Flamme zündeln, kein Überspringen des Funkens auf den Kosovo, auf Albanien, auf Mazedonien provozieren, wird Europa über ihre Waffengänge hinwegsehen. Die Balkanesen sollen unter sich ausmachen, wie sie mit ihrem Völkerhaß klarkommen, denken sich die westlichen Diplomaten, wir haben ihnen doch unsere Hilfe beim Schlichten ihrer Probleme angeboten, und großzügig waren wir auch noch mit unserer Wirtschaftshilfe.

Die Scharmützel von Mostar sind möglicherweise nur der Auftakt eines militanten Zwists, der sich in den kommenden Jahren hinziehen wird, denn eines ist sicher: Ein zweiter Hans Koschnick ist nicht in Sicht, der als Schlichter in die Stadt an der Neretva ziehen wird, um zwei Jahre später resigniert festzustellen, er hat nichts erreicht, der Haß auf die anderen steckt noch immer in den Köpfen. Und die Pazifisten, die Kriegsmüden auf allen Seiten, die werden alles daran setzen, ihrer Heimat den Rücken zu kehren, für immer. Mostar den Kroaten, Brčko den Serben, Sarajevo den Muslimen, die Parolen des Krieges werden die Realität von morgen. Karl Gersuny