Alte Kamellen für die Australier

Wirtschaftsminister Rexrodt und Thyssen-Vorstand Rohkamm preisen Transrapid an. Doch eine Magnetbahn Sydney–Canberra macht Ausbauangebot von Adtranz Konkurrenz  ■ Von Gudrun Giese

Berlin (taz) – Fern des rheinischen Dienstsitzes präsentierte sich Wirtschaftsminister Günter Rexrodt (FDP) am Rosenmontag in Faschingslaune. Die australische Regierung sei am Transrapid interessiert, berichtete der Minister, der derzeit mit einer Wirtschaftsdelegation den fünften Kontinent besucht. Tatsächlich plant die Regierung Australiens, die 300 Kilometer lange Bahnverbindung Sydney–Canberra, später bis Melbourne, zu einer Hochgeschwindigkeitsstrecke auszubauen. Das Angebot ist auch nicht neu: Bereits im April 1996 hatte das Bundesverkehrsministerium diese Strecke als eines der möglichen Transrapid-Auslandsprojekte genannt.

Festgelegt hat sich die australische Bundesregierung bisher nicht. Am Ausbau der Verbindung Canberra–Sydney sind auch die Betreiber des französischen TGV sowie Adtranz International interessiert, wie der Sprecher der australischen Botschaft in Bonn, Günter Schlothauer, bestätigt.

Greifbarer Erfolg, den Rexrodt und der Vorstandsvorsitzende von Thyssen Industrie, Eckhard Rohkamm, mit nach Hause nehmen, ist die Zusage des australischen Verkehrsministers John Sharp, im Frühjahr eine Fahrt mit dem Transrapid auf der Teststrecke im Emsland zu absolvieren. Eine Vorentscheidung habe der Minister jedoch nicht getroffen, sagt Rexrodts Pressereferentin Christine Kern.

Gegen den Bau einer Transrapid-Trasse in Australien sprechen ähnliche Gründe wie gegen den der geplanten Verbindung Berlin–Hamburg: Ein wirtschaftlicher Betrieb der teuren Magnetbahn dürfte kaum möglich sein. „Um eine auch nur annähernd rentable Transrapid-Strecke betreiben zu können, müßten alle Einwohner Sydneys (3,74 Millionen) ihre 304.000 Freunde und Verwandten (oder auch die Regierung) in Canberra mindestens dreimal jährlich besuchen“, hat Gila Altmann, Bundestagsabgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen, ausgerechnet. Sie bezweifelt zudem, daß die Australier bereit wären, höhere Fahrpreise zu zahlen; bisher beträgt der Fahrpreis Sydney–Canberra 47 Mark. Soll der Transrapid wirtschaftlich betrieben werden, müßte die einfache Fahrt zwischen 120 und 150 Mark kosten.

Aus Sicht von Robin-Wood- Sprecherin Andrea Meyer ist es sowohl ökologisch wie verkehrspolitisch sinnlos, eine Transrapid-Verbindung dort zu bauen, wo bereits eine Schienenstrecke besteht. Das Angebot von Adtranz basiert darauf, die bestehende Verbindung zu nutzen; einsetzen will das Unternehmen moderne Neigezüge. Rexrodts „einseitiges Transrapid-Engagement“, so Gila Altmann, „untergräbt deren Chancen“.

Adtranz wäre zudem der einzige Anbieter, der die Strecke bis zur Olympiade in Sydney im Jahre 2000 ausgebaut haben könnte, wie Botschaftssprecher Schlothauer einräumt. Doch Thyssen-Vorstand Rohkamm und Wirtschaftsminister Rexrodt wollten wohl mit der Mitteilung über das australische Interesse am Transrapid vor allem Druck machen: Die Verbindung Berlin–Hamburg müsse unbedingt gebaut werden, weil die Magnetbahn nur mit dieser Referenzstrecke exportfähig sei. Andrea Meyer von Robin Wood: „Rexrodt und Rohkamm haben offensichtlich Angst um ihr Lieblingsspielzeug. Anders ist nicht zu erklären, daß sie uralte Projekte aus der Tasche ziehen, um Stimmung für den Transrapid zu machen.“