Dialog verschoben

■ Iran: Kein SPD-Besuch ohne Gegenleistung

Aufgeschoben ist nicht aufgehoben: Die Delegation der SPD-Bundestagsfraktion läßt sich bei der Absage ihrer Iranreise ausdrücklich die Option offen, später doch noch zu fahren. Die Formulierung – die Entscheidung, die Reise zu verschieben, sei im „gegenseitigen Einvernehmen“ mit Irans Botschafter in Bonn gefallen – läßt erahnen, welch zähe Verhandlungen dieser „Einigung“ vorausgegangen sind.

Der iranischen Führung ist an dem seit einem Jahr geplanten Besuch der Sozialdemokraten sehr gelegen: International könnte sie damit demonstrieren, daß das deutsch-iranische Verhältnis doch nicht so belastet ist, wie es sich derzeit darstellt. Der eigenen Bevölkerung würden die Theokraten demonstrieren, daß sie im westlichen Ausland noch Freunde haben. Und ganz nebenbei knüpfte man Kontakte zu Politikern, die vielleicht einmal in Bonn in einer Regierung sitzen werden ...

Doch für diesen „Dienst“ wollten die SPDler Gegenleistungen: allen voran ein freies Gespräch mit dem offensichtlich vom iranischen Geheimdienst festgehaltenen Schriftsteller Faradsch Sarkuhi. Diesen Preis waren die Iraner nicht bereit zu bezahlen – vielleicht noch nicht.

Der Umstand, daß die iranischen Behörden den Dissidenten vor Besuchern abschirmen, zeigt, wie sehr sie dessen Aussagen fürchten. Säße Sarkuhi nur wegen Grenzverletzung im Gefängnis, stünde einem solchen Gespräch nichts im Wege. Dabei fügt die iranische Seite ihrer Sarkuhi-Legende beinahe täglich absurdere Facetten hinzu. Der Schriftsteller müsse sich wegen „Ehebruchs“ vor Gericht verantworten, meldete am Montag die staatliche Nachrichtenagentur Irna. Ein gefährlicher Vorwurf: Im Iran kann wegen dieses „Delikts“ die Todesstrafe verhängt werden.

Glaubwürdigkeit hat die iranische Führung jedenfalls nicht mehr zu verlieren. Dennoch müssen die SPDler weiterverhandeln – auch mit notorischen Lügnern. Es darf darüber spekuliert werden, ob die Iranreise zum jetzigen Zeitpunkt vielleicht doch mehr gebracht hätte, als die Vorverhandlungen vermuten ließen. Aber der Spielraum bei solchen Gesprächen ist unberechenbarer als beim Poker. Derzeit gibt es dazu keine Alternativen, um Faradsch Sarkuhi zu retten. Thomas Dreger