Lieber der eigene Scheiß

■ Wer ist Xzibit? Der Reinhard Mey des HipHop oder der neue Ankläger des Ausverkaufs von Straßen-Philosophie im Geiste von Malcolm X?

Ein Zeichen der Hip-Hop- bzw. Schwarzenbewegung kehrt, in Andeutung, zurück. Wenn auch nur bei Xzibit. Es ist das „X“, das Malcolm in die Öffentlichkeit warf, der Geschichte aufrollende Signifikant für Identitätslosigkeit. Nur steht dieses „X“, das seither nie wieder nur ein Buchstabe sein kann, im Pseudonym des 22jährigen Rap-Künstlers ebensosehr für ein rein ästhetisches Kürzel.

Und eine Ansammlung ähnlicher Ambivalenzen zieht sich durch das gesamte Werk von Xzibit, dem Sein-Leben-Ausstellenden. Dies beschränkt sich auf den Tonträger At The Speed Of Live, von dessen betont schlecht gestaltetem Cover der Mann mit der Würstchenfrisur mit nachdenklicher Miene blickt, unter ihm die Lichtspuren des Verkehrs sechsspuriger Schnellstraßen in Los Angeles. Ein im Angesicht der immer schneller werdenden Zeit sentimental gestimmter Barde? Eine Art Reinhard Mey des HipHop?

Und dann noch „Paparazzi“, die Seifenoper des Kuschel-Hop, ein opulentes Streicherarrangement mit leicht unbeholfenem Rap und einem Refrain, der allen Ernstes sagt: „It's A Shame/Niggas In The Rap Game/Only For The Money And The Fame“. Die mit allen Hit-Zutaten beschworenen Paparazzi kamen sofort, vergoldeten dieses Stück selbst in einem – auch nach den Fugees – HipHop-Entwicklungsland wie Deutschland und ließen den Autor der Zeile reichlich heuchlerisch dastehen.

Und dennoch gewinnt Xzibit dieses schon abgeschriebene Spiel. Das liegt zum einen an der eigenen Sprache, die das ehemalige Mitglied der Formation Tha Alkoholiks entwickelt, ein Stil, der ebenso unspektakulär wie geschmackssicher im Detail zwischen allen küsten- und zeitspezifischen Mustern liegt. Dabei kommt Xzibit aus L. A., dem Herzen des von allen HipHop-Stilen immer noch am besten verkaufenden G-Funk. Doch er meint es ernst, nicht nur mit seiner Ausverkaufsklage, sondern mit seinem Anspruch an HipHop. Das sind die guten Werte: sich treu bleiben, keinen Fantasy-Mist erzählen, eigenen Scheiß entwickeln, mit der Straße sprechen.

Die Konsequenz hieraus, die natürlich kaum ein Rapper zieht, bedeutet sperrige, weil nicht durch eingeführte Schemata abgesicherte Formen, wie in diesem Fall das Cover, den Griff zu Pop, den weitgehenden Verzicht auf nach außen gekehrter Härte. In dieser leicht verzerrten Ungreifbarkeit ist Xzibit in jedem Fall ein Gewinn für den Hip Hop. Wenn dazu noch ein Gespür für Sample- bzw. Melodieführung und den guten Beat kommt, ist Paparazzi nicht nur vergessen, sondern als Baustein des gutzuheißenden Systems akzeptiert.

Holger in't Veld

Mi, 19. Februar, 21 Uhr, Große Freiheit