Inhaltsfrei geschorene Bärte

■ Schwarzkopf-Sülze: Premiere einer Polit-Komödie mit Schlachter und Friseur im Alma Hoppes Lustspielhaus, inszeniert von dem Kabarett-Altmeister Henning Venske

Wenn die Bundeswehr privatisiert wird, muß sich ein Major gründlich rasieren lassen. Dabei erfährt sein Friseur, daß an der Börse ausländische Anleger bevorzugt umworben werden, damit auch im Falle einer Niederlage eine Dividende ausgeschüttet werden kann – ist das wahr? Können Soldaten Werbeträger für Jägermeister sein? Ist eine Wettervorhersage zuverlässiger als eine Steuerprognose? Der Friseur weiß über alles bescheid.

Der gut unterrichtete Haarschneider ist ein gescheiterter Student, genau wie der Schlachter im Laden nebenan. Beide haben die väterlichen Geschäfte übernommen, doch die sind von der Schließung bedroht: Das Haus wird verkauft, die Bank hat ihnen den Kredit gestrichen. Zwei Stunden vor Ladenschluß treffen sie sich zur gemeinsamen Katastrophenprophylaxe auf der Bühne in Alma Hoppes Lustspielhaus.

Kurz vor seinem dritten Geburtstag präsentiert das Haus an der Winterhuder Ludolfstraße mit Schwarzkopfsülze eine Eigenproduktion, an der nicht nur der Inhalt, das aufwendig gestaltete Bühnenbild und die Musik des Hauskomponisten Matthias Winkler, sondern „alles komplett neu ist“. Selbst das Genre haben die beiden Autoren, Darsteller und Lustspielhaus-Betreiber Nils Loenicker und Jan-Peter Petersen modifiziert: Mit der Polit-Komödie wollen sie weg vom klassischen Nummernkabarett, hin zum abgerundeten Bühnenstück.

Der Clou: Henning Venske, nach zehn Jahren bei der Münchner Lach- und Schießgesellschaft wieder in Hamburg, führt Regie. Der Kabarett-Altmeister tritt schon seit dem letzten Herbst mit satirischen Monats-Schauern als Gast bei Alma Hoppe auf, aber die gemeinsame Produktion mit Loenicker und Petersen – neben der Inszenierung hat er auch an den Texten mitgearbeitet – ist eine Premiere. Die Zusammenarbeit basiert auf übereinstimmenden Vorstellungen darüber, was politisches Kabarett soll, kann und will.

Böse, makaber, bis an die Grenze zum Wahnsinn – es darf schon mehr als nur „ein bißchen“ irre sein, damit das ganze Spaß macht und nicht im Mief bieder-braver Normalo-Sketche steckenbleibt. Klar gibt es eine ästhetische Grenze, sagt Nils Loenicker. Aber es ist kein zweckfreier Schweinkram, auch wenn echtes Fleisch auf der Bühne rumfliegt. Es geht um Themen, bei denen den meisten Leuten Sülze aus dem Kopf quillt – Armut, Arbeitslosigkeit, Sozialneid. Und der Schlachter hat immer die passende Antwort parat, für jeden Kunden eine andere...

Die Konstruktion komplett inhaltsloser Meinungen zum Zweck der Kundenpflege ist ein beliebter Volkssport. Und Schwarzkopfsülze ist für alle gemacht, denen sowas immer schon auf den Geist ging.

Barbora Paluskova

Premiere: 19. Februar, 20 Uhr, Alma Hoppes Lustspielhaus