Im Prager Parlament liegen die Nerven blank

■ Die Abgeordneten streiten über die deutsch-tschechische Versöhnungserklärung. Redebegrenzungen sollen Störmanöver der extremistischen Parteien verhindern

Prag (taz) – Im Prager Parlament ging es gestern nachmittag rund. Thema: Die deutsch-tschechische Versöhnungserklärung. Am Dienstag hatten die Abgeordneten der Regierungsparteien zur Überraschung aller den Plan der laufenden Sitzung geändert, damit die Debatte über die Erklärung endlich beginnen konnte.

Seit Anfang vegangener Woche verzögern die beiden extremen Parteien der Republikaner und Kommunisten durch unsinnige Anträge den Beginn der Aussprache über die Deklaration. Inzwischen liegen nicht nur die Nerven der Regierungspolitiker blank. Auch Präsident Václav Havel sah sich zu ungewohnt scharfen Worten über die Schädigung der Staatsinteressen durch extremistische Parteien veranlaßt.

Aber auch den Sozialdemokraten, von deren Verhalten das Schicksal der Deklaration im Parlament abhängt, wurde mit dem Schritt der Koalitionsparteien ein Strich durch die Rechnung gemacht. Auch sie hatten mit dem Zeitfaktor gepokert und auf eine parteienübergreifende Einigung bezüglich einer Zusatzresolution zur Deklaration gehofft.

Nachdem Bundeskanzler Helmut Kohl in Prag Ängste geschürt hatte, wollen die Genossen erneut betont wissen, daß die Eigentumsfrage abgeschlossen ist. Von der Verabschiedung eines solchen Zusatzes machen die meisten Sozialdemokraten, auch ihr Vorsitzenden Miloš Zeman, ihre Zustimmung zur Deklaration abhängig. Ein Versuch von Premier Klaus, durch Zugeständnisse an die Sozialdemokraten eine große Mehrheit für das Dokument zu erhalten, scheiterte Anfang der Woche an den Protesten der Koalitionsparteien. Diese lehnen eine Zusatzerklärung als Unterhöhlung des Versöhnungswerkes ab.

In der nun laufenden Aussprache, in der die Rededauer zur Verhinderung stundenlanger republikanischer Ergüsse auf zehn Minuten begrenzt wurde, sind alle alten Argumente zu hören: Die Abgeordneten der Koalition verweisen auf die internationale Bedeutung der Deklaration. Kommunisten und Republikaner wüten gegen die „institutionalisierte Lüge“. Dazwischen sind die Stimmen der Sozialdemokraten zu hören, mal zustimmend, mal ablehnend. Diese Beiträge spiegeln die Zerrissenheit der Partei wider: Während Zeman den Wortlaut des Dokuments und das Vorgehen des Außenministers kritisiert, loben einige Genossen die Deklaration als Zukunftschance. Für einen der Befürworter hatte dies bereits schmerzhafte Folgen. Pavel Dostal wurde vorige Woche zusammengeschlagen – die Täter stammen wahrscheinlich aus dem Republikaner-Milieu. Katrin Bock