Vergessene Kekse wecken PKK-Verdacht

Ehrenamtliche Betreuerin bekam Besuchsverbot fürs Untersuchungsgefängnis  ■ Von Elke Spanner

Jahrzehntelang genoß sie das Vertrauen von Justizbehörde und Gefangenen, nun bleiben ihr die Knasttüren verschlossen: Gisela Wiese, 72, Vizepräsidentin der internationalen katholischen Friedensbewegung Pax Christi in Deutschland und seit zwei Jahrzehnten ehrenamtliche Insassenbetreuerin in Hamburger Gefängnissen, darf das Untersuchungsgefängnis Holstenglacis nicht mehr betreten, weil sie die kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützt haben soll. Da sie mit einer „Justiz, die meinen Aussagen nicht glaubt, nicht länger zusammenarbeiten“ könne, erklärte Wiese gestern, daß sie auch ihre Besuche in den Fuhlsbütteler Strafanstalten I, II und dem Frauengefängnis Neuengamme aussetze.

Gisela Wiese hatte am 15. Oktober vergangenen Jahres eine Gruppe von Frauen in der U-Haft besucht. Wie immer hatte sie Kekse zum Naschen mitgebracht. Wie immer hatte sie zu viele dabei und ließ wie immer die Kekstüte für die Gefangenen da. Etwas allerdings verlief diesmal anders als sonst: Eine Vollzugsbeamtin fand später in der Tüte drei Briefe – Presseerklärungen einer kurdischen Gefangenen. Deshalb unterstellte die Anstalt der Besucherin, sie hätte die Post aus dem Knast schmuggeln wollen.

Für das auf diese absurden Vorwürfe gestützte Hausverbot will nun niemand die Verantwortung tragen. Das Hausrecht hat Anstaltsleiter Robert Mündelein. Der hatte die 72jährige bei einem ersten Termin im November „inquisitorisch“ nach ihren politischen Aktivitäten befragt, vor allem nach ihrem Engagement in der Flüchtlingspolitik. Bei einem Folgetreffen behauptete er, Albrecht Mentz, Richter am Oberlandesgericht, habe das Hausverbot verhängt. Rolf Gestefeld vom Strafvollzugsamt nickte zu dieser Behauptung.

Ein Gericht ist jedoch gar nicht befugt, Hausverbote für den Knast auszusprechen. Und nach seiner eigenen Aussage hat Mentz das auch nicht getan. Gegenüber Wiese sagte er in einem Telefonat, er habe lediglich angeordnet, daß die Kurdin nicht mehr an der besuchten Gruppe teilnehmen dürfe.

Mentz sitzt dem Strafsenat vor, der seit einem Jahr über die mutmaßliche PKK-Rädelsführerschaft der Kurdin Azime Y. verhandelt. Die Sanktionen sollten daher wohl eher Azime Y. treffen als Gisela Wiese. Der konspirativen PKK-Arbeit scheint Mentz die Friedensaktivistin Wiese dennoch zu verdächtigen. Denn daß die Briefe ihren Namen nicht enthielten, so Mentz gegenüber Wiese am Telefon, belaste sie gerade: „Es weist darauf hin, daß Sie solche Mitteilungen schon häufiger zur Presse brachten und keine Anweisung brauchten.“

„In der Untersuchungshaft müssen die Außenkontakte noch strenger kontrolliert werden als im Strafvollzug“, erläutert Irene Lamb von der Justizbehörde die einschneidende Maßnahme. Zwar mißt der Hamburger Senat den ehrenamtlichen BetreuerInnen „hohe Bedeutung“ zu, da sie „einen wichtigen Beitrag zur Resozialisierung“ leisteten, wie aus der Senatsantwort auf eine kleine GAL-Anfrage im vergangenen November hervorgeht. Doch wer diesen Beitrag leisten darf, entscheidet die Justizbehörde nach strenger Vorkontrolle: Die Zulassung gibt es nur, wenn man ein leeres Vorstrafenregister vorlegt und der Verfassungsschutz keine Einwände erhebt. In Hamburg gehen zur Zeit zwischen 90 und 100 HelferInnen ehrenamtlich in den Knast. Der Insassenvertreter in Santa Fu, Jens Stuhlmann, dazu: „Viele Gefangene haben daneben gar keine Außenkontakte mehr.“

Und die werden jetzt noch dürftiger: Zur Unterstützung von Gisela Wiese haben drei VollzugshelferInnen ihre ehrenamtliche Arbeit eingestellt.