„Europa – wissen, wie's geht“

■ Arbeitsdeputierte fahren nach Brüssel, manche „mit großem Bauchweh“ – Baudeputierte nach Barcelona

Reisen bildet – das wußten offenbar auch die Großkoalitionäre von CDU und SPD als sie den Sparhaushalt 1996/97 absegneten. 100.000 Mark spendierten sie den Deputierten und Ausschußmitgliedern für Reisen. Nachdem die Welt für die Feierabend-Politiker jahrelang an der Landesgrenze endete, dürfen sie jetzt wieder ins Flugzeug steigen, um die Welt zu erkunden – auf Kosten der Steuerzahler, die 2.000 Mark pro Person dazubezahlen. Das Reisefieber der Deputierten kennt seitdem keine Grenzen: Die Baudeputation will im Herbst nach Barcelona. Die Hafendeputation schwankt zwischen Singapur und Indien. Und die Arbeitsdeputation hat ihre erste Reise schon gebucht: Im April wollen sich die Kommunal-Politiker drei Tage lang in Brüssel umschauen. Die Rechnung von rund 15.000 Mark für Fahrt, Übernachtung im Vier-Sterne Hotel (189 Mark das Einzelzimmer inklusive Frühstück) und Verpflegung geht zu Lasten der Steuerzahler – die Deputierten müssen keinen Pfennig dazubezahlen.

„Wir bekommen ja bald ein vereintes Europa“, hat Klaus Peters (CDU) bemerkt. „Da muß man doch wissen, wie's geht.“ Das findet auch Wolfgang Jägers (SPD). „In Brüssel sitzen ja viele wichtige Leute. Die kann man dann kennenlernen. Und die haben ja auch über viele Gelder zu entscheiden, und wenn ich weiß, wie mein Gegenüber aussieht, dann kann ich ihn auch besser einschätzen.“

In Brüssel wird die Delegation allerdings auch von alten Bekannten aus Bremen erwartet: Die Europaabgeordnete Karin Jöns (SPD) möchte den Arbeitsdeputierten alles über die „Einschränkungen zur Reform der Strukturfonds und die Möglichkeiten der Einflußnahme“ erzählen. CDU-Staatsrat Günter Niederbremer will sie über den „Regionallobbyismus und die Aufgaben und Funktionen des Verbindungsbüros“ aufklären. Außerdem steht ein Vortrag von Allan Larsson auf dem Programm. Er ist bei der EU immerhin für Beschäftigung, industrielle Beziehungen und soziale Angelegenheiten zuständig. Sein Thema ist „die Zukunft der Beschäftigungspolitik in Europa“ – der Vortrag ist in englischer Sprache. Darüber hinaus sollen die Deputierten über „Lokale und regionale Beschäftigungspakte“ und über das Europäische Kohäsionsforum (Referentin ist Monika Wulf-Mathies) informiert werden. „Wir sollten uns nicht provinzieller machen, als wir sind“, antwortet Staatsrat Arnold Knigge auf die Frage, nach dem Sinn der Reise. „Wir kriegen da wertvolle Informationen aus erster Hand.“

Das kann Helmut Zachau (Grüne) zwar nicht so glauben – doch auch er will am 28. April in den Reisebus nach Brüssel steigen. „Mit großen Bauchschmerzen“, gibt er zu. In Zeiten, in denen alles zusammengestrichen wird, sei so eine Reise natürlich problematisch. Aber in Brüssel werden schließlich viele arbeitsmarktpolitische Entscheidungen getroffen.“ Das ist auch der Grund für Klaus-Dieter Möhle (Grüne), nach Brüssel zu fahren. Möhle kann in diesem Jahr gleich zweimal die Koffer packen – er sitzt auch in der Baudeputation. „Also, daß mit der Baudeputation und Barcelona ist schon komisch, ehrlich gesagt. Aber hinter Brüssel kann ich mich voll stellen. Das würde ich auch machen, wenn es den Zuschuß nicht gebe.“ Und warum zahlt er die Reise dann nicht aus eigener Tasche? „Das überlege ich mir persönlich vielleicht sogar noch.“ kes