Entlackungskur für Möbel

Ein umweltfreundliches Ablaugeverfahren verwendet die Firma HolzCleanic in Weißensee. Auch die Gesundheit der Arbeiter wird geschont  ■ Von Katrin Dreßler

Wer hat nicht mal mit einer Heißluftpistole und einem Spachtel mühevoll Farbschicht für Farbschicht von einem Küchenbüfett abgetragen? Diese Arbeit kostet Überwindung. Auch die Rundfenster im Dach einer alten Villa könnten wieder in ihrer ursprünglichen Schönheit erstrahlen, wenn die millimeterdicke, mit den Jahren unansehnlich gewordene Farbschicht auf der Oberfläche verschwinden würde.

Doch der damit beauftragte Handwerker kann ein Lied von der zeitaufwendigen und gesundheitsschädigenden Arbeit des Abbrennens und Ablaugens singen. Der Leidensweg für den Werkstoff Holz und der Frust für den Menschen ist lang. Da fallen giftige Farbabfälle an, die selten ordentlich entsorgt werden, sondern einfach in den Hausmüll wandern. Die Schleimhäute und die Lunge werden durch die giftigen Dämpfe belastet. Oft kann das Ergebnis dann nicht mal befriedigen. Farbreste und Brandflecken sind hartnäckige Begleiter auf dem Holz.

Ein kleines Unternehmen im Stadtbezirk Weißensee hat sich dieses Problems seit einem Jahr angenommen. Die vier Mitarbeiter der HolzCleanic praktizieren ein umweltfreundliches Entlackungsverfahren für Holz und Metall. Der Name der HolzCleanic erklärt, daß es hier gleichermaßen um die Gesundheit und die Reinigung von Holz geht. Holzoberflächen werden hier schonend und sauber entlackt. Die Belastung für das Holz wird dabei so gering wie möglich gehalten, denn Holz als natürlicher und lebendiger Werkstoff braucht Pflege und Schutz.

Die eigentliche „Schönheitsfarm“ für das Holz ist eine helle, geruchsarme Werkhalle. Der gesamte Ablaugeprozeß läuft computergesteuert ab. Dabei wird Natronlauge verwendet. Jedoch befindet sie sich nicht mehr in großen Wannen wie bei der Technik des „Tauchbades“, sondern in zwei hermetisch geschlossenen Ablaugekammern. Neu ist auch das verzweigte Düsensystem, ähnlich einer Autowaschanlage, das die Lauge über die zu behandelnden Holzteile sprüht. Die Mitarbeiter kommen somit nur kurz – beim Be- und Entladen der Kammer – mit den Dämpfen in Berührung, wobei durch die Verwendung einer stark verdünnten Lauge die Belastung für die Schleimhäute gering ist.

Bis zu 15 Minuten stehen die Hölzer in den Kammern, danach wird die Lauge gemeinsam mit der abgelösten Farbe mit einem Wasser-Hochdruckreiniger entfernt. Die so behandelten Holzteile müssen nun mit einer Säure (stark verdünnte Phosphor- oder Oxalsäure) neutralisiert werden, damit keine Laugenreste in den Holzporen bleiben. Gleichzeitig sorgt die Säure für ein Aufhellen der abgelaugten Holzteile.

Bisher ist das Verfahren nur auf Weichhölzer (Fichte, Kiefer) anzuwenden, da diese beim Neutralisieren nicht nachdunkeln. Für Harthölzer sowie für Sperrholz und Furnier bietet die HolzCleanic die Bearbeitung mit Glasgries in einer Sandstrahlanlage an.

In einer weiteren Anlage wird das abgelaugte und neutralisierte Holz getrocknet. Je nach Dicke und Art des Holzes bleiben Fenster und Türen zwischen 24 Stunden und mehreren Tagen dort stehen. Holzwürmer und andere Schädlinge haben in der HolzCleanic keine Chance zum Weiterleben. Chemiefrei werden sie in einem separat gelegenen Raum bei einer Außentemperatur von rund 70 Grad abgetötet.

Umweltfreundlich ist die Anlage nicht allein durch den sparsamen Umgang mit Chemikalien. Das verwendete Wasser und alle chemischen Zusätze werden in einer riesigen Bodenwanne aufgefangen, so daß die beteiligten Prozeßflüssigkeiten in einem geschlossenen Kreislauf bleiben. In einer ebenfalls computergesteuerten Aufbereitungsanlage in der benachbarten Werkhalle werden die Chemikalien und die giftigen Bestandteile der Farbanstriche aus der Farbbrühe gelöst, so daß am Ende Brauchwasser übrigbleibt, das wieder in die Behandlungsanlage zurückkehrt.

Giftige Rückstände, die häufig schwermetallhaltige Farbstoffe enthalten, werden zu deponiefähigen Paketen gepreßt und als Sondermüll entsorgt. Auch die Natronlauge wird wiedergewonnen und kann noch für rund eine Woche in der Ablaugekammer eingesetzt werden. Der gesamte Prozeß wird streng überwacht, jede Arbeit an der Anlage selbst sowie jeder Einsatz von Chemikalien muß dokumentiert werden. Die Prüfberichte der Wasserwerke wiesen bisher immer nach, daß das wiedergewonnene Wasser keine Schwermetalle mehr enthielt und der ph-Wert neutral war.

Der Wärmebedarf der gesamten Anlage wird über ein Blockheizkraftwerk gedeckt. Die bei der Stromerzeugung der benachbarten Tischlerei anfallende Abwärme wird zum Aufheizen der Lauge genutzt. Ein verantwortungsbewußter Umgang mit der Umwelt hat seinen Preis. Für den privaten und gewerblichen Kundenkreis dürften die Angebote der HolzCleanic trotzdem reizvoll sein. Ein Stuhl beispielsweise kostet 65 Mark, ein Vertiko 165 Mark. Für Türen werden je nach Größe bis zu 180 Mark in Rechnung gestellt. Die Kunden können sich voll und ganz darauf verlassen, daß ihr „gutes Stück“ so schonend wie möglich behandelt wird.

Sogar für die Schlösser Sanssouci und Fürstenberg war die HolzCleanic schon tätig. Gerade ist man dabei, rund um Berlin ein Netz von Annahmestellen einzurichten, um eine größere Kundennähe zu erreichen. Bisher erledigt noch der eigene Fuhrpark die Transporte. Auch eine kostenlose Beratung in allen Fragen der Holzentlackung und -bearbeitung wird angeboten.

Frank Büttner, ein Mitarbeiter der HolzCleanic, sieht perspektivisch die Zukunft der HolzCleanic vor allem im Bauelemente-Recycling. „Berlin baut, baut, baut – doch was geschieht vielerorts mit den Fenstern, Türen, Holzdielen und Rippenheizkörpern, die in den zu sanierenden Altbauten vor sich hin rotten? Irgendwann landen sie auf der Müllhalde.“

Aber gerade da will die HolzCleanic verstärkt eingreifen. Und das rechnet sich auch. Stellt man eine Kostenrechnung und eine Ökobilanz über die Neuherstellung von Doppelfenstern auf, so fällt diese im Vergleich zur Aufarbeitung alter Doppelkastenfenster schlechter aus. Denn zu den eigentlichen Produktionskosten kommen Aufwendungen für Energie, Rohstoffe und Transportkosten.

Bisher können alle handelsüblichen Farb- und Lackschichten entfernt werden – mit einer Ausnahme. In Zusammenarbeit mit der Freien Universität ist man zur Zeit diesem Problem auf der Spur. Es geht dabei um Polyurethan (PUR)-Lacke. Sie wurden in der DDR gern als äußerst haltbarer Holzanstrich verwendet. Dem ist tatsächlich auch mit Natronlauge nicht beizukommen. „Die Lösung dieses Problems“, so verrät Frank Büttner, „steht kurz bevor.“

Die leistungsfähige Absauganlage in der HolzCleanic verfügt noch über freie Kapazitäten. Bisher wird sie im Einschichtbetrieb nur zu 60 bis 70 Prozent ausgelastet. Der Grund: In der Baubranche steht man dem Recyclen von gebrauchten Bauelementen noch skeptisch gegenüber, lieber wird von Altbausanierern Neues verbaut. Ein geändertes Bewußtsein würde der HolzCleanic mehr Aufträge bescheren. Dies wiederum würde zu einem Mehrschichtbetrieb führen und weitere Arbeitsplätze schaffen.

HolzCleanic, Roelckestraße 153, 13086 Berlin, Tel. 927943-0