■ Zweifelhafter Funkenfeuer-Brauch
: Hurra, die Hexe brennt!

(Pfuhl/taz) – Eigentlich ist Barbara Hoffmann, stellvertretende Vorsitzende in ihrem Ortsverband Pfuhl (Neu-Ulm), eine stramme CSUlerin. Im Zusammenhang mit dem kleinen, pfiffigen Heimatmuseum von Pfuhl hat sie häufiger überregional Schlagzeilen gemacht. Daß Frau Hoffmann gern Seite an Seite mit Frauenrechtlerinnen und Grünen-Frauen gemeinsame Sache macht, hat im konservativen Neu-Ulm schon gehörig für Aufsehen gesorgt.

Unlängst bekam sie dann recht deutlich zu spüren, was so manches Mannsbild von der streitbaren Brauchtumsexpertin hält. Vor ihrer Haustüre fand Barbara Hoffmann eine überlebensgroße, gepfählte und gekreuzigte Hexenpuppe. „Die heb' ich mir auf fürs Museum“, berichtet die dynamische Frau mit den roten Haaren. Daß man ihr so arg zusetzt, liegt daran, daß sie gegen einen vermeintlich uralten alemannischen Brauch zu Felde zieht.

Es geht um die in dieser Region alljährlich üblichen Funkenfeuer. Meterhohe Holzstapel werden am Sonntag nach Faschingsende aufgestapelt und unter lautem Gejohle verbrannt. Damit will man den Winter austreiben. Doch in einigen Gemeinden in Bayerisch- Schwaben ist es üblich geworden, auf den Stapeln Hexenpuppen zu plazieren und mit zu verbrennen.

„Das hat doch mit Brauchtum nichts zu tun, das gibt es erst seit 70 Jahren, abscheulich, zumal in dieser Gegend früher weiß Gott genügend Hexen verbrannt wurden. Volkskundlich ist gar nicht einzusehen, daß da eine Frauenfigur brennen muß.“ In Pfuhl haben die Funkenfeuerfreunde schweren Herzens nachgegeben und verbrennen – wie auch in Zürich üblich – einen stilisierten Schneemann. Zähneknirschend freilich, die Hexe war ihnen lieber.

Ein paar Kilometer weiter, in Weißenhorn, will man von einem Schneemann auf dem „Funken“, wie das Feuer im Volksmund heißt, nichts wissen. „Ein völliger Schmarren. Wir denken in keiner Weise an eine Frau, wenn wir die Hexe verbrennen“, meint Bürgermeister Heinz Berchtenbreiter, der tatsächlich nicht als frauenfeindlich, sondern als liberal gilt. Doch in dieser Sache gibt es kein Nachgeben für ihn. Weißenhorn sei berühmt für sein Funkenfeuer. In den 30er Jahren habe es sogar Sonderzüge von Ulm gegeben, in denen Neugierige anreisten. Der „Funken“ und das dazugehörige Scheibenschlagen, bei dem brennende, bierfilzelgroße Holzscheiben über ein schräges Brett in die Nacht geschleudert werden, ist zu einem Fest geworden, und bei dem will man sich nicht dreinreden lassen. Von der benachbarten Vize- CSU-Ortsvorsitzenden nicht und auch nicht von Grünen-Frauen und Feministinnen.

Der Chef des städtischen Museums, Wolfgang Ott, ist ganz anderer Meinung als sein Bürgermeister. Durchaus ein Freund des Brauchtums, hat er sich eindeutig auf Frau Hoffmanns Seite geschlagen, was ihm in Weißenhorn nicht nur Sympathien bescherte. Selbst zahlreiche Frauen am Ort halten die Hexengeschichte für blanken Unsinn. „Ich würde das als Spaß sehen und wirklich nichts Frauenfeindliches dahinter vermuten“, meint eine Museumsbesucherin. Eine andere Dame hingegen hält den Hexenzauber für unnötig.

Das findet auch der Museumsleiter. Das Funkenfeuer und das Scheibenschlagen sei ein schöner Brauch, ursprünglich eine Sache der Dorfjugend. Ihn stört die Hexe auf dem Holzstapel – „in der Tat antiquiert und frauenfeindlich“–, aber auch die Tatsache, daß dieser Brauch immer mehr zu einem der Honoratioren wurde. „Wir sollten ihn der Dorfjugend zurückgeben“, mahnt Ott und erinnert daran, daß einen Steinwurf vom heutigen Funkenplatz entfernt einst wirklich Hexen verbrannt wurden. „Da war der Weißenhorner Hinrichtungsplatz, an dem angebliche Hexen zu Tode gequält wurden. Das ist schon eine Sache, die schaudern macht!“ Der Funkenmeister in Weißenhorn ist übrigens auch der örtliche Totengräber. Klaus Wittmann