Um Schnürsenkelbreite

■ Berlins Basketballer sind nach dem Sieg gegen Moskau in den Europaliga-Playoffs

Berlin (taz) – Der Trainer von Alba Berlin hieße nicht Svetislav Pesic, wenn er nicht selbst mitten im Jubel über den zweitgrößten Erfolg der Vereinsgeschichte nach dem Gewinn des Korac-Cups vor zwei Jahren seinen kritischen Realismus bewahren würde. Die Lobeshymnen des russischen Trainers Stanislaw Eremin nach dem 78:76-Sieg der Berliner gegen ZSKA Moskau am vorletzten Spieltag und dem Einzug in die Europaliga-Playoffs prallten an dem Serben glatt ab. „Sehr, sehr gut“ hätte Alba verteidigt, meinte Eremin, „gegen eine solche Defense ist schwer zu spielen.“ Pesic wartete höflich, bis der Gast gegangen war, erst dann brummte er: „Bin nicht Meinung von Coach.“

Seine Mannschaft sei in der Deckung nicht aggressiv genug gewesen, dadurch wären die Gegner immer wieder in gute Rebound- Positionen gekommen. Die Statistik gibt Pesic recht: 22 Rebounds für Alba, 36 für ZSKA. Da es auch in der Offensive haperte, war der Sieg in diesem von großer Nervosität beider Seiten geprägten Match um so erstaunlicher – vor allem nach einem 9-Punkte-Rückstand fünf Minuten vor Schluß.

Doch als die Partie schon fast verloren schien, war Alba plötzlich wieder da und übernahm mit Obradovic, Rödl und Harnisch, dem Pesic als einzigem seiner Akteure eine exzellente Abwehrleistung über die gesamte Spielzeit bescheinigte, die Initiative. Plötzlich saßen auch die Dreier von Wendell Alexis, während der herausragende Walerij Dajneko, insgesamt 25 Punkte und 9 Rebounds, gegen den trotz Verletzung spielenden Henrik Rödl keinen Treffer mehr landete. Am Ende wurde es hochdramatisch, und Albas Sieg hing an einer Schnürsenkelbreite. Beim Stande von 78:76 für die Berliner kam der flinke Sergej Bazarewitsch in letzter Sekunde frei zum Dreierversuch, doch der Ball tupfte auf den Korbrand, und die 9.000 Zuschauer brachen in einen Jubel aus, dessen Lautstärke den Phonrekord der Max-Schmeling- Halle in neue Höhen schraubte.

Irgendwann ging auch Svetislav Pesic auf, daß zuviel der Kritik unter diesen Umständen kaum angebracht wäre. „Ich will nicht weinen“, versprach er eilig und wagte lieber einen Blick nach vorn. Schnell beantwortet war die Frage, welchen der beiden möglichen Gegner er sich für das Achtelfinale wünscht: Partizan Belgrad, sein altes Team. Kein Wunder: wer möchte schon gegen den FC Barcelona spielen – nach der Verpflichtung des Serben Aleksander Djordjevic wohl Europas stärkste Mannschaft. Matti Lieske