Reiches Armburg

■ Diskussion über Bettler-Erlaß und Armut als Schauspiel der Plattitüden

Er drängte sich nach vorne, denn das wollte er nicht auf sich und seinesgleichen sitzen lassen: „Die betriebswirtschaftlich notwendige Entscheidung zur Schließung des Hafenkrankenhauses ist auch dem Senat nicht leichtgefallen“, sagte Innensenator Hartmuth Wrocklage (SPD) den mehreren hundert Menschen, die sich gestern im Deutschen Schauspielhaus am Hauptbahnhof versammelt hatten. Er reagierte damit auf den Demo-Aufruf von Hafenkrankenhaus-Aktivisten. Er habe gedacht, sagte Wrocklage, er sei hier zu einer Diskussion über Armut geladen.

Das Hafenkrankenhaus und der berüchtigte (aber vorerst gescheiterte) „Bettler-Erlaß“ gehörten sehr wohl zum selben Thema, entgegnete der Soziologe Jens Dangschat. „Es ist dasselbe Lied, nur eine andere Strophe.“ Die von Bürgermeister Henning Voscherau (SPD) in–itiierte und von der Innenbehörde entworfene Drucksache mit dem Namen „Maßnahmen gegen die drohende Unwirtlichkeit der Städte“ sei „voller Menschenverachtung“. Das „Bettler-Papier“ hatte in einem Atemzug Arme, Müll und Hundekot problematisiert.

Niemand schlafe aus Spaß draußen, räumte Martin Soltau, ein ehemaliger Obdachloser, mit der Propaganda der Sozialbehörde auf. Wenn Sozialhilfe zum Leben reiche, warum verdienten dann die PolitikerInnen so viel mehr als den Stütze-Satz? „Sie müßten doch wissen“, so CDU-Hardliner Karl-Heinz Ehlers spitz, daß gerade die Hamburger Bürgerschaftsabgeordneten ihr Mandat „nebenamtlich“, also für wenig Geld ausübten. Er vergaß jedoch zu erwähnen, daß die Parlamentarier für diese Nebenbeschäftigung mit der Demokratie das Achtfache des Sozialhilfesatzes bekommen: 4000 Mark brutto.

Hitzig und engagiert verlief die abwechselnd von Hohngelächter und Jubelrufen begleitete Debatte. Immerhin diskutierte die Politik zum ersten Mal mit den Betroffenen. Doch im Ergebnis kam wenig mehr dabei heraus als ein Schauspiel der Plattitüden mit den altbekannten Polemiken. Silke Mertins