„Dann nehm' ich den Bagger und gut“

■ Hansetor-Bewohner bleiben mißtrauisch, obwohl Gutachter jetzt ihren Verdacht auf Altlasten unter der Siedlung bestätigen „Sanierung muß sein“

„Der soll nicht soviel rumlabern“, schimpft der muskulöse junge Mann und saugt hastig an seiner Zigarette. „Der soll sagen, wo der Mist liegt und wieviel weg muß. Dann komme ich selbst mit dem Bagger und gut“. Die Bewohner der Wohnsiedlung Hansetor in Hemelingen sind ungeduldig – und sie sind mißtrauisch gegen die Gutachter, die in den letzten Wochen den Grund unter ihren Gärten auf der Suche nach Verseuchungen in Boden und Grundwasser regelrecht durchsiebt haben.Was bei der Auswertung der 87 Bohrproben und sechs untersuchten Brunnen Erschreckendes zutage kam, wurde den Anwohnern jetzt im Bürgerhaus Hemelingen mit bunten Diagrammen und viel Geologen-Fachchinesisch präsentiert.

Fazit der Gutachter: Besonders an der Nordwestecke der Siedlung, an der Kleinen Westerholzstraße, muß der mit Teerölen verseuchte Boden bis zu zwei, im Einzelfall sogar bis zu vier Meter Tiefe ausgekoffert werden. „Von den Gärten bleibt da nichts übrig“, sagt Harald Bethke von den Bremer Entsorgungsbetrieben, der das ganze Verfahren organisiert, „aber die Häuser können stehen bleiben“.

Unter dem zentralen Wegkreuz der Siedlung orteten die Gutachter auch noch eine tiefliegende „Emissionsquelle“, die vermutlich das Grundwasser verschmutzt. Klar ist auch, daß der Dreck nicht von anderswo aufgetragen worden sein kann: „Was wir dort finden, stammt aus der Fläche der Wohnanlage selbst“, sagt der Gutachter Peter Schlie vom Büro Prof. Mull und Partner.

Obgleich diese Ergebnisse der Tiefenbohrungen den lange schwelenden Verdacht der Anwohner bestätigen, gehen die Emotionen hoch im Bürgerhaus. Ganz am Anfang hatte sich ein Mann kurzerhand zum kommissarischen Sprecher der Grundstücksbesitzer erklärt und seine Teilnahme „bei allen Gesprächen eingefordert“.

„Warum haben Sie nicht an Punkt 55 weitergemessen“, fragt eine besorgte Frau. Zuviele Ungereimtheiten und beruhigende Worte haben die Besitzer der 73 Eigenheime schon gehört, seit sie 1992 ihre Häuser auf dem alten Industriegrundstück bezogen. Die Stadt hatte der Baufirma Interhomes seinerzeit erlaubt, hier Wohnungen zu bauen und dabei offensichtlich genaue Untersuchungen des Untergrundes versäumt. Auch Interhomes hatte die Käufer nicht ausreichend auf die lauernden Gefahren hingewiesen. Mehrere Gutachten hatten die wahren Ausmaße der Verschmutzung beschönigt. Das wirkt nach. Als der Gutachter von einem Brunnen erzählt, der mit Steinen zugeschüttet worden ist und man deshalb an einer Stelle keine Grundwasser-Untersuchungen habe machen können, „schrillen im Publikum die Alarmglocken“, wie ein Anwohner sagt.

Peter Schlie hat Mühe, begreiflich zu machen, warum er nicht jeden Quadratmeter des Geländes beprobt hat. „Wegen der Erkenntnisse aus dem Oberboden ist es an dieser Stelle wenig plausibel, Verschmutzungen in tieferen Schichten anzunehmen“, doziert der Doktor, „aber ein Restrisiko gibt es immer.“ Aber: Niemand habe ihm gesagt, bohre mal hier und laß es dort sein, verteidigte sich Schlie gegen die mißtrauischen Anwohner, die Verschwörungen zwischen Behörde, Interhomes und Gutachtern wittern: „Das hätte ich mir auch verbeten“, beteuert Schlie.

In den nächsten Wochen werden alle Anwohner die Verschmutzungs-Daten für ihr Grundstück bekommen. Während Interhomes und die Stadt verhandeln, wer die von den Experten vorsichtig auf bis zu fünf Millionen Mark geschätzten Kosten für die Sanierung trägt, müssen sich auch die Anwohner beraten. Denn letztlich entscheiden sie, was auf ihren Grundstücken geschieht. Für jedes der sechs Flur-stücke müssen sich die Besitzer einig werden, was wie und wann saniert wird. „Wenn einer nicht mitmachen will, weil unter seinem Grundstück alles sauber ist, dann haben wir ein Problem“, sagt Harald Bethke. Joachim Fahrun