York, Yorker, am New Yorksten

■ „Chocolate Babies“ von Stephen Winter im Panorama

„Einige haben Aids, einige haben die Magic-Johnson-Seuche“, meint die Drag Queen, „einige sind unschuldig, aber ich bin nicht unschuldig. Ich war es niemals.“ Nur den scheinbar Unschuldigen wird Hilfe zuteil, der Rest formiert sich in einem zeitlosen New York zu einer Guerilla aus schwarzen Tunten, asiatischen schwulen Studenten, HIV-infizierten alleinerziehenden Müttern... Sie verüben Farbattentate auf Politiker, saufen Wodka und planen Entführungen. „Ich bin die einzige infizierte Person in der Geschichte von Aids“, erzählt der/die schätzungsweise 150 Kilo schwere Larry/Larva, „die kein Gewicht verloren hat. Ihr solltet Angst vor mir haben.“

Dazu wackelt die Handkamera, als wäre es Super-8. Und plappern und stottern die Schauspieler, die keine Laien sind, denen man das aber nur selten anmerkt, als wären wir mitten in einer Act-up-Performance. Regisseur Stephen Winter aber erzählt, daß 70 Prozent des Textes so in seinem Skript gestanden hätten: „Es sieht aus, als wäre es improvisiert, aber tatsächlich haben wir drei Monate geprobt.“ Es wird gesungen und getanzt, Redeschwälle ergießen, Augen verdrehen sich, es wird gebrüllt, und an den Ecken türmen sich Mülltüten. Es ist eben sehr New York.

Die Aktivisten streiten, und sie tun es laut: mit Politikern, mit Eltern und untereinander. Mag sein, daß viele Probleme nur angerissen werden: schwule und deswegen homophobe Politiker, Kinder infizierter Mütter, mangelnde Solidarität. Larva meint, mit HIV infiziere man sich ohne eigene Schuld, ist aber gegen Abtreibung: „Wer vögelt, muß mit den Konsequenzen rechnen.“ Ein Jahr später wird nicht das Erreichte rekapituliert, die Toten werden gezählt. Und betrauert. „Chocolate Babies“ ist ein Film über die Liebe, die so vieles erst erträglich macht. Selbst das Sterben. Thomas Winkler

„Chocolate Babies“. USA 1996. 83 Min. Buch & Regie: Stephen Winter. Mit: Suzanne Gregg Ferguson, Dudley Findlay Jr., Jon Lee u.a.