Keine Macht den Doofen

Nur wenige Apotheker können sich vorstellen, Cannabis in ihren Apotheken zu verkaufen. Auch Drogenbeauftragte gegen Kieler Vorschlag  ■ Barbara Bollwahn

So geteilt wie die Geschmäcker über Marihuana aus Thailand und schwarzen Afghanen sind, so gehen auch die Meinungen über den legalen Verkauf von Cannabis in Apotheken auseinander. Seitdem am Dienstag der Antrag von Schleswig-Holsteins Sozialministerin Heide Moser (SPD) auf eine kontrollierte Abgabe durch Apotheken im Berliner Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte zur Prüfung eingegangen ist, machen sich auch die hiesigen Apotheker mehr oder weniger benebelte Gedanken darüber, wie sie sich verhalten würden, sollten Berliner Politiker dem Vorstoß folgen.

Manfred Zindler, der Präsident des Apothekerverbands, hat „schwere Bedenken gegen die Substanz“, „vom pharmakologischen her“, wie der 61jährige sagt. Zindler ist überzeugt, daß mit einer legalen Abgabe in Apotheken neben den „zwei Fronten à la Juhnke – Alkohol und Nikotin“ – eine „dritte Front“ aufgebaut werde. Zindler räumt zwar ein, daß die Kriminalität durch eine kontrollierte Abgabe durchaus zurückgehen könnte. Doch er befürchtet „wie bei Methadon“, eine „ungenügende medizinische Begleitung“. Kiffer müßten dann zwar „nicht mehr kriminell werden“, so Zindler, wären aber nur „ruhiggestellt“. Außerdem will Zindler, der zugibt, „leider“ noch nie einen Joint probiert zu haben („Aber das Leben ist auch so schön!“), wissen, daß Cannabis zu einer „gewissen Apathie und Abgestumpfheit“ führe.

Abgestumpft ist auch der Präsident der Ärztekammer, Elis Huber. Jedoch nicht durch den Genuß von Cannabis, sondern durch seinen jahrelangen erfolglosen Kampf für einen staatlich kontrollierten Handel, den er bereits 1992 in einem taz-Interview forderte. Er glaubt längst nicht mehr daran, daß Berliner Politiker einen derartigen Vorstoß unternehmen. „Aller Wahrscheinlichkeit nach wird man nicht Vernunft gegen Ideologie durchgesetzt bekommen“, so Huber. Die Bestätigung dieser Vermutung folgt auf den Fuß: „Wir kritisieren das Signal, was da gegeben würde“, sagt die Drogenbeauftragte Elfriede Koller. Allein weil der Kieler Vorschlag umstritten ist, kann sie sich ein ähnliches Modell in Berlin nicht vorstellen. Koller befürchtet zwar nicht, „daß die Jugendlichen in den Apotheken Schlange stehen würden“. Aber sie ist überzeugt, daß „die Botschaft“, die sie empfangen würden, die wäre, „Cannabis ist harmlos“. Doch eine „Gesundheitsschädlichkeit“, so Koller weiter, könne keinesfalls ausgeschlossen werden.

Während der Präsident des Apothekerverbands davon ausgeht, daß der Großteil der 800 Apotheken im Verband auf seiner Linie liegt, ist der Präsident der Ärztekammer überzeugt, daß die Hälfte von ihnen Cannabis über den Pharmatresen schieben würde. „Apotheken sind Bestandteil eines kulturellen Gefüges“, so Huber. „Man muß ihnen die Angst nehmen. Dann wird sich das schon einspielen.“

In der Tat herrschen in vielen Apotheken, besonders im Ostteil der Stadt, Angst, Verunsicherung und auch Unkenntnis vor. So befürchtet der Leiter der Markgrafen-Apotheke in Friedrichshain, seine „normalen Kunden“ mit den Kiffern zu verschrecken. „Die Kunden oder Patienten, die hier ihre Spritzen holen“, so der Apotheker, „sind schon nicht das Nonplusultra. Warum sollten die (Kiffer, Anm. d. Red.) anders auftreten?“ Die Leiterin der Arminiusapotheke in Mitte dagegen, Steffi Linke, will nicht „ausschließen“, eines Tages neben Aspirin und Zäpfchen auch Cannabis zu verkaufen. Denn eine „größere Kontrolle als in Apotheken“ könne es gar nicht geben. Doch solange nicht mehr und besser darüber aufgeklärt wird, „wie das gestaltet werden soll“, plädiert sie für Coffeeshops oder die kontrollierte Abgabe ausschließlich an Kranke oder für die völlige Freigabe.

Auch Inge Hinrichs, Chefin der Apotheke am Nollendorfplatz in Schöneberg, ist der Meinung, daß Haschisch „sehr gut bei Aidskranken“ wirkt. „Aber einem 18jährigen einen Joint rüberreichen“, so Hinrichs, „das ist nicht mein Ding.“

In das gleiche Horn stößt der nicht genannt werden wollende Leiter der Jakobus-Apotheke in Wilmersdorf. „Das mach' ich nicht mit. Cannabis gehört nicht in die Hand von Apothekern. Das ist eine Droge wie Alkohol und Tabak auch“, sagt er kurz und beendet das Gespräch. Der Chef der Apotheke am Kranzlereck fürchtet sich gar vor „kriminellem Potential“. Gemeint sind „die Leute vom Bahnhof Zoo und einige Intelektuelle, die ihren Esprit aufpeppen wollen“. Er will „die Klientel, die die Substanz nutzt, nicht in die Apotheke ziehen“. Denn dort verkaufe er „schwerpunktmäßig Kosmetik und Hochpreisiges“.

Ein klares Ja für Haschisch in Apothekerstuben äußert Detlef Muschner von der Cottbusserdamm-Apotheke in Kreuzberg, der die „Standeshaltung“ vieler seiner Kollegen beklagt. „Die Apotheke ist genau der richtige Ort“, sagt Muschner. „Wer wenn nicht wir?“ fragt er. Doch Muschner betont, daß es ihm nicht darum gehe, „den Konsum zu unterstützen“, sondern darum, „mit den Leuten zu sprechen“.