Die Suche nach Sündenböcken beginnt

■ Nachspiel für Randale in Hellersdorf: Innensenator wirft Bürgermeister Klett vor, für die Eskalation um die JN-Versammlung verantwortlich zu sein. Augenzeugen kritisieren harten Polizeieinsatz

Die Zusammenstöße zwischen Neonazis, Linken und der Polizei am Samstag in Hellersdorf sorgen jetzt für politischen Streit: Polizei und Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) machen den Bezirksbürgermeister von Hellersdorf, Uwe Klett (PDS), dafür verantwortlich, daß es zu Ausschreitungen gekommen ist. Augenzeugen berichten dagegen von einer Eskalationsstrategie der Polizei.

Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) erklärte in der „Abendschau“ auf B1, der Aufruf Kletts, den geplanten Aufmarsch der „Jungen Nationaldemokraten“ (JN) zu verhindern, habe zu der Eskalation geführt. Schönbohm betonte noch einmal, er habe keine Möglichkeit gehabt, die geplante Kundgebung zu verbieten und die Polizei habe bei den Zusammenstößen „angemessen reagiert“.

Nachdem die JN ihren geplanten Aufmarsch in Absprache mit der Polizei abgesagt hatte, versuchten am Samstag dennoch etwa 30 Neonazis, sich am S-Bahnhof Wuhletal zu versammeln. Dort wurden sie von GegendemonstrantInnen empfangen und angegriffen. Die Polizei schlug nach Augenzeugenberichten auf die linken GegendemonstrantInnen ein, hinderte aber die Rechtsextremisten nicht am Zeigen des „Hitlergrußes“.

Während die Sicherheitsbehörden den OrganisatorInnen der Gegendemonstration vorwerfen, die Situation eskaliert zu haben, drehen diese den Spieß um. In einer kleinen Anfrage an den Senat wirft die bündnisgrüne Abgeordnete Judith Demba der Polizei einen „unverhältnismäßig brutalen Einsatz“ vor und verlangt eine Erklärung dafür, daß „es auf Seiten der DemonstrantInnen 104 Festnahmen gab“, während keiner der Nazi- Fahnen schwenkenden und den „Hitlergruß“ entbietenden Rechtsradikalen festgenommen wurde. Der Vorwurf Schönbohms an Klett sei unsinnig, so Demba. „Im Gegenteil“, sagte Demba, „der Vorwurf ist auch noch ein Schlag ins Gesicht der Leute, die Ausschreitungen von Neonazis verhindern wollten, auch für die CDU-Vertreter in der BVV.“ Klett selbst war gestern zu einer Stellungnahme nicht zu erreichen.

Petra Pau, Landesvorsitzende der PDS, wies die Vorwürfe Schönbohms gegen Klett zurück. Die Schuldzuweisung diene nur der Kriminalisierung der gesamten PDS. „Und außerdem versucht Jörg Schönbohm jetzt, Uwe Klett die Verantwortung zuzuschieben, die er eigentlich selber hat“, so Pau.

Heute wird sich möglicherweise auf Antrag von Grünen und PDS der Innenausschuß des Abgeordnetenhauses mit den Ausschreitungen befassen. Barbara Junge

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