Der Eurofighter kommt nicht vom Boden

Die Bundesregierung steckt in der Zwickmühle  ■ Aus Bonn Bettina Gaus

Es bedarf erheblicher Phantasie, sich eine Situation vorzustellen, in der das von Freunden umzingelte Deutschland ein hochmodernes Jagdflugzeug brauchen könnte. Dennoch wird die Bundesregierung wohl um den endgültigen Bau des Eurofighters nicht herumkommen. Kaum ein anderes Beispiel belegt so eindrucksvoll wie dieses umstrittene Projekt, wie gering der Handlungsspielraum der Regierung bei haushaltspolitischen Entscheidungen mittlerweile ist und in welchem Umfang sie von der Industrie erpreßt werden kann.

Eigentlich hätte die mit der Daimler-Tochter Dasa im Januar ausgehandelte Übereinkunft über das Milliardenprojekt vom Kabinett bereits abgesegnet sein müssen. So heißt es übereinstimmend aus Unions- und Industriekreisen. Aber statt dessen wird weiter darum gestritten, aus welchem Topf welche Summe für die 180 Jagdflugzeuge kommen soll, deren Beschaffungskosten mit insgesamt knapp 23 Milliarden Mark veranschlagt werden.

Bislang geht der Streit um zwei Milliarden Mark bis zum Jahr 2000. Verteidigungsminister Volker Rühe wünscht eine verbindliche Zusage, daß die Hälfte dieser Summe von Theo Waigel zugeschossen wird. Der Finanzminister hat aber bereits durchblicken lassen, daß er diese Form der „Sonderfinanzierung“ für keinen gelungenen Einfall hält. Aber es ist fraglich, ob ihm am Ende eine andere Wahl bleiben wird.

Die meisten Deutschen möchten derzeit staatliche Gelder für andere Dinge verwendet sehen als ausgerechnet für ein teures Jagdflugzeug mitten im tiefsten Frieden – und da geht es manchen in den Reihen der Regierungskoalition nicht anders. Der FDP-Haushaltsexperte Jürgen Koppelin plädierte gerade öffentlich dafür, die Entscheidung über den Eurofighter zu verschieben. Angesichts der Sparzwänge passe ein Jagdflugzeug nicht in die Landschaft.

Der Vorsitzende des Bewilligungsausschusses für Rüstungsgüter, Dietrich Austermann (CDU), meint, die Beschaffung des Eurofighters dürfe andere militärische Vorhaben nicht verdrängen. „Der Verteidigungsetat hat ohne eine Nachbesserung durch den Finanzminister aus meiner Sicht nicht die erforderlichen Mittel, um das Jagdflugzeug zu finanzieren“, erklärte er gegenüber der taz.

Austermann schlägt einen anderen Weg vor. Der Bund hat über viele Jahre hinweg Entwicklungskostenzuschüsse für den Airbus in Milliardenhöhe gezahlt. Diese Zuschüsse müssen „bedingt“, also wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt sind, zurückgezahlt werden. Der CDU-Politiker meint, die erste Rückzahlung sei für das Jahr 2000 zu erwarten. Die Gelder sollten seiner Meinung nach für den Eurofighter verwendet werden. „Da der Auftraggeber derselbe ist, läßt sich das mit Zahlungen verrechnen“, findet Austermann.

Ein hübscher Einfall. Aber zum einen ist die rechtliche Lage kompliziert, und es bleibt erst noch abzuwarten, in welchem Umfang tatsächlich Geld nach Bonn fließen wird. Zum anderen erwartet die Dasa dem Vernehmen nach bereits 1998 das erste Geld für den Bau des Jagdflugzeugs auf ihren Konten. Bis zum Jahre 2001 sollen dann bereits 6 Milliarden Mark gezahlt worden sein.

Darüber hinaus braucht ein Vertrag mindestens zwei Unterschriften. Das mit dem Verteidigungsministerium geschnürte Paket lasse sich nicht mehr öffnen, war von der Dasa zu hören. Da sei kein Spielraum mehr für weitere Verhandlungen. Und es gebe eine Zusage der Regierung, wonach die endgültige Entscheidung für den Eurofighter im ersten Quartal dieses Jahres fallen soll. Das sei Grundlage der Übereinkunft.

Finanzminister Theo Waigel wird es schwer haben, der Öffentlichkeit angesichts der gähnend leeren Kassen den Zuschuß für ein militärisches Prestigeobjekt plausibel zu machen. Dies gilt um so mehr, wenn er denn wirklich, wie es von vielen Beobachtern erwartet wird, in naher Zukunft eine Haushaltssperre verkündet.

Verweigert sich der CSU-Politiker jedoch, dann sieht es für ihn auch nicht rosiger aus. Bis zu 18.000 Arbeitsplätze stehen im Zusammenhang mit dem Eurofighter auf dem Spiel – die weitaus meisten ausgerechnet in seiner bayerischen Heimat.

Die Luft- und Raumfahrtindustrie war das Lieblingskind des verstorbenen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß. Von dem einst blühenden Geschäft ist nicht mehr viel übriggeblieben. Anfang der neunziger Jahre arbeiteten in der Branche noch rund 95.000 Beschäftigte. Heute sind es weniger als 50.000.

80 Prozent der Arbeitsplätze in diesem Bereich bietet die Daimler- Tochter Dasa. Deren Chef Manfred Bischoff hat schon im letzten Sommer unverblümt mit dem Abbau von weiteren Arbeitsplätzen gedroht, wenn die Auftragslage sich nicht bessere.

Die Bundesregierung sitzt in der Zwickmühle. Teuer wird es so oder so: Wenn Bonn den Start für den Eurofighter verzögert, die drei europäischen Partnerländer Großbritannien, Spanien und Italien aber auf getroffenen Abmachungen bestehen, dann muß Deutschland ihnen die bisherige Forschung und alle Entwicklungsergebnisse ohne Gegenleistung überlassen. Damit wären Milliarden versickert.

Wird der Eurofighter hingegen planmäßig gebaut, dann lassen sich die genauen Kosten noch gar nicht abschätzen. Bisher wird der Stückpreis für das Flugzeug mit 125,4 Millionen Mark angegeben. Dieses Verhandlungsergebenis gilt als großer Erfolg für das Verteidigungsministerium, hätte doch die damals noch Jäger90 genannte Maschine ursprünglich 133 Millionen kosten sollen.

Kritiker fürchten jedoch, daß das Projekt weit teurer kommt, als bisher bekanntgeworden ist. Ein Teil der früher in der Kalkulation für Systempreise eingeschlossenen Ausgaben für Wartung und Ersatzteile wurde aus der Kostenberechnung herausgenommen. Darüber hinaus sind im Preis bislang noch nicht die Kosten für Bewaffnung enthalten. Wie hoch die sein werden, ist völlig unklar. Mit der Entwicklung der für den Eurofighter vorgesehenen Raketen ist gerade erst begonnen worden.