■ Der "Entwurf der Arbeitsgruppe für eine Verständigung" zwischen der Bundesregierung und der SPD über die künftige Energiepolitik in Deutschland sieht vor, die bestehenden Atommeiler ohne Einschränkung in Betrieb zu lassen.
: Vom Ausstieg is

Der „Entwurf der Arbeitsgruppe für eine Verständigung“ zwischen der Bundesregierung und der SPD über die künftige Energiepolitik in Deutschland sieht vor, die bestehenden Atommeiler ohne Einschränkung in Betrieb zu lassen.

Vom Ausstieg ist nicht mehr die Rede

Ein gesellschaftlicher Konsens über die künftige Energiepolitik, getragen von den Umweltverbänden, den Grünen, der SPD genauso wie der Bundesregierung – das war einst das Ziel, als vor fünf Jahren die Chefs von Veba und RWE, Klaus Piltz und Friedhelm Gieske, an Bundeskanzler Helmut Kohl schrieben und gemeinsam mit Gerhard Schröder die ersten Energiekonsensrunden anregten. Dem Ausstieg oder zumindest der Befristung der Stromerzeugung aus Atomkraft sollten seinerzeit staatliche Förderprogramme für regenerative Energien gegenüberstehen. Umweltverbände und Teile der Anti-AKW-Bewegung signalisierten, daß bei einem Ausstieg auch eine Übereinkunft über die Atommüllprojekte möglich sein könnte.

Heute ist von diesem Energiekonsens nur noch der Name übriggeblieben. Das zeigt schon der erste Blick auf jenes anonyme Papier, dem die Konsensrunde aus Beamten des Bundes und der Länder Niedersachsen und Nordrhein- Westfalen den nichtssagenden Titel „Entwurf der Arbeitsgruppe für eine Verständigung“ gegeben hat. Auf fünf Seiten handelt die Arbeitsgruppe die „Entsorgung“ ab, bei der „Kernergie“ kommt sie mit eineinhalb Seiten aus. Auf diesen kommt das Wort Ausstieg oder auch ein Auslaufen der Atomstromproduktion nicht vor. „Entscheidungen über Ersatzbauten für die gegenwärtigen Kernkraftwerke in Deutschland müssen frühestens im Jahr 2005 getroffen werden“, stellen die Emissäre von Gerhard Schröder, Monika Griefahn, Franz Müntefering und der Bundesregierung einvernehmlich fest. Die heutige AKWs könnten nach den „Regelungen des Atomgesetzes“ wie bisher weiterbetrieben werden. Vertagt auf das Jahr 2005 ist lediglich der Einstieg in eine neue Reaktorlinie, über die bis dahin aber Vorentscheidungen durchaus erlaubt sein sollen.

Diesem Abschied vom Ausstieg stehen um so größere Zugeständnisse der SPD, namentlich der niedersächsischen, bei der Atommüllentsorgung gegenüber. Das erste der beiden niedersächischen Endlager soll schon in diesem Jahr genehmigt werden. Bund und Land Niedersachsen haben das Planfeststellungsverfahren für das Endlager Schacht Konrad nicht nur gemeinsam „zügig zum Abschluß“ zu bringen. Sie gehen auch davon aus, daß das „Planfeststellungsverfahren 1997 positiv abgeschlossen“ wird. Bund und SPD wollen auch die wichtigste Hürde für die Fertigstellung des Endlagers Gorleben aus dem Weg räumen. Durch eine Änderung des Atomgesetzes soll es Andreas Graf Bernstorff, dem Eigentümer der Gorlebener Salzrechte, an den Kragen gehen: „In das Atomgesetz wird eine Rechtsgrundlage für Enteignung zur Erkundung, Errichtung und zum Betrieb von Endlagern eingefügt“, so der entscheidende Satz des „Verständigungspapiers“, der dem Endlager Gorleben den Weg bereitet. Bisher fehlt es an einer Rechtsgrundlage, um den dem Grafen Bernstorff gehörenden Teil des Salzstocks zum Zwecke des Endlagerbaus zu enteignen. Nicht nur das soll sich ändern. Der Bund soll bei entsprechenden Enteignungsverfahren auch das letzte Wort bekommen: „Enteignungsbehörde wird eine Landesbehörde in Bundesauftragsverwaltung.“ Dies gibt dem Bund das Recht, durch bundesaufsichtliche Weisungen der enteignenden Landesbehörde die Verfahrensschritte vorzuschreiben.

Die SPD und vor allem Niedersachsen geben damit ihre wichtigsten Mittel für eine Politik des Atomausstiegs aus der Hand. Nach einem Ja zu Gorleben und Schacht Konrad kann die SPD über die Atommüllentsorgung keinen Druck mehr in Richtung Ausstieg ausüben. Nur den wirtschaftlichen Interessen der Energieversorgungsunternehmen entsprechen die Detailregelungen zur Atommüllendlagerung. Die Inbetriebnahme des ersten niedersächsischen Endlagers vertagt das Papier. Bis zum Jahr 2005 soll die Geologie des Endlagers Gorleben so weit erkundet sein, daß eine Entscheidung möglich ist, ob nun Gorleben, Schacht Konrad oder auch beide Standorte tatsächlich zu Atommüllendlagern ausgebaut werden. Eine definitive Aussage, daß in Niedersachsen nur ein Endlager entstehen soll, fehlt in dem Papier. Allerdings hat in der Vergangenheit selbst das deutsche Atomforum schon vorgeschlagen, aus Kostengründen den gesamten Atommüll auf ein weiteres Endlager zu konzentrieren. Daß das Papier festschreibt, ein Endlager Gorleben solle nicht vor dem Jahr 2035 in Betrieb gehen, trägt nur technischen Gegebenheiten Rechnung: Abgebrannte Brennelemente, die dringend endgelagert werden sollen, müssen vorher 40 Jahre zwischenlagern. Sonst sind sie fürs Endlager schlicht zu heiß.

Offen läßt das Papier, wie es aktuell mit der Zwischenlagerung, mit den Atomtransporten nach Gorleben weitergehen soll. Niedersachsen verlangt, daß das Gorlebener Zwischenlager „ab sofort“ nur noch für abgebrannte Brennelemente aus norddeutschen AKWs zur Verfügung steht. Die Vertreter der Bundesumweltministerin in der Arbeitsgruppe wollten dies erst „ab dem Jahr 2000“ zugestehen. Jürgen Voges