Großbaustellen mit Vertrauensbonus

■ Mindestlohn für Bauarbeiter wird am Potsdamer Platz und anderen Mammutprojekten der Stadt nicht kontrolliert. Prüftrupps des Arbeitsamtes haben zuwenig Leute und fürchten Schlag ins Wasser

Um die größten Baustellen der Stadt machen die KontrolleurInnen einen großen Bogen. Weder die Riesenprojekte von Debis und Sony am Potsdamer Platz noch die zukünftige Allianzzentrale in Treptow wurden bislang daraufhin überprüft, ob die Bauarbeiter den tariflichen Mindestlohn bekommen. „Am Potsdamer Platz waren wir noch nicht“, sagt Klaus-Dieter Fleck, Abteilungsleiter beim Arbeitsamt Berlin-Brandenburg .

Der Mindestlohn gilt sei dem 1.Januar 1997. Die Baufirmen müssen allen Beschäftigten in den westlichen Bundesländern und Berlin 17 Mark brutto pro Stunde, im Osten 15,64 Mark zahlen. Weniger dürfen auch ausländische Bauarbeiter nicht bekommen. Der Tarifvertrag, den die Gewerkschaft 1996 gegen die Arbeitgeberverbände durchsetzte, soll verhindern, daß Baufirmen zumeist ausländische Billigmalocher einstellen und dadurch die einheimischen Beschäftigten in die Arbeitslosigkeit drängen.

Der „Außendienst Bau“ des Landesarbeitsamtes führt die Kontrollen durch. Fast täglich schwärmen die 250 MitarbeiterInnen nach Cottbus, Oranienburg oder in die Berliner Bezirke aus. An die wirklich großen Bauvorhaben aber trauen sich die Prüftrupps nicht heran. „Dazu sind wir personell nicht in der Lage“, erklärt Klaus- Dieter Fleck, der Vorgesetzte des Außendienstes.

Auf der riesigen Debis-Baustelle am Potsdamer Platz arbeiten etwa 1.500 Leute. Angesichts dieser zahlenmäßigen Übermacht befürchtet das Arbeitsamt, daß den Kontrolltrupps zu viele Niedriglohnarbeiter durch die Lappen gehen und die gesamten Überprüfungen ein Schlag ins Wasser würden. Fleck kündigte aber an, daß man sich demnächst zumindest einzelne Abschnitte der gigantischen Investitionsprojekte vornehme.

Daß die Großbaustellen bisher ausgeklammert wurden, sei dennoch kein gravierendes Problem, argumentiert der Außendienst- Chef. „Der Potsdamer Platz ist eine langfristige Baustelle“, die im Blickfeld der Öffentlichkeit liege. Schon wegen des möglichen Imageverlustes würden Konzerne wie Debis und Sony darauf achten, die illegale Beschäftigung zu vermeiden.

Auch Klaus Pankau, Chef der Gewerkschaft Bauen–Agrar –Umwelt, „hält nicht viel“ von massierten Kontrollen der Großprojekte. Es sei viel wichtiger, „an die Hintermänner“ in den Baukonzernen und ihre Subunternehmen heranzukommen.

Nach Ansicht Pankaus muß der Tarifvertrag über den Mindestlohn, der nur bis zum 31. August 1997 gilt, in neuen Verhandlungen verschärft werden. Konzerne wie Debis oder die von ihm beauftragte Baufirma Hochtief müßten selbst zur Rechenschaft gezogen werden, wenn bei einem ihrer Subunternehmer Fälle von Lohndumping festgestellt würden. Die Baukonzerne würden dann die Mindestlohnregelung nach unten durchsetzen, und nicht – wie heute oft üblich – die Augen verschließen, meint Gewerkschafter Pankau.

Zur Zeit sichert sich Hochtief am Potsdamer Platz dadurch ab, daß die Subunternehmer schriftlich versichern müssen, keine illegalen und Niedriglohnarbeiter zu beschäftigen. Wenn sie das doch tun, bezahlen die nachgeschalteten Baufirmen die Geldstrafe, nicht aber der große Baukonzern. Dieser ist für das Lohndumping aber mitverantwortlich, da er auf die Nachunternehmer enormen Kostendruck ausübt. Hannes Koch

siehe auch Tagesthema Seite 3