350 Gramm oder nichts

Post, Union und Postler sind einig: Das Monopol muß bleiben. Heute müssen sie die FDP umstimmen  ■ Von Ulrike Fokken

Berlin (taz) – Bei der Post weiß man nie, ob sie kommt. 10.000 Postbedienstete wurden gestern zur Demonstration in Bonn erwartet – mehr als 20.000 kamen und verstopften mit 300.000 gelben Protestkarten die Briefkästen der Bundesregierung. Wie bereits in den vergangenen Tagen, wehrten sie sich gegen die geplante Aufhebung des Postmonopols.

Heute werden sich die Fraktionsvorsitzenden von CDU, CSU und FDP damit beschäftigen. Postminister Wolfgang Bötsch (CSU) will das Monopol der Deutschen Post AG auf die Briefzustellung noch bis zum 31. 12. 2002 erhalten. Die Post solle das alleinige Recht behalten, Briefe bis zu 350 Gramm und dem fünffachen Einheitsporto von 1,10 Mark ab dem 1. September 1997 zu befördern. Über das Gewicht ließe er noch mit sich reden, sagte Bötsch am morgen. Auf 100 Gramm hat er sich dem Vernehmen nach bis zum Mittag herunterhandeln lassen.

Damit kommt Bötsch der FDP entgegen. Die will ein Monopol höchstens über 50 Gramm und das allenfalls für ein Jahr erlauben. Eigentlich will die FDP wie ihr Wirtschaftsminister Günter Rexrodt das Postmonopol ab dem 1. 1. 1998 völlig abschaffen. Das sei zukunftsträchtig und schaffe Arbeitsplätze, die vor allem kleine und mittlere Unternehmen bieten würden, verkündete Rexrodt gestern. Das bezweifelt die Deutsche Postgewerkschaft (DPG). Neue Arbeitsplätze würden allenfalls in „Turnschuhbrigaden und Billigjobs zu 610 Mark“ entstehen, sagte ein Sprecher. Das habe die Aufhebung des Frachtmonopols gezeigt. Die DPG fürchtet, daß mit einer sofortigen Liberalisierung mindestens 10.000 Arbeitsplätze bei der Post verloren gingen. Das Monopol müsse daher bestehen bleiben.

Laut Grundgesetz muß die Post flächendeckend Briefe einsammeln und zustellen. Das lohnt sich eigenlich nur in Städten. Wenn in den lukrativen Ballungsräumen demnächst Private die Briefe billiger als die Post befördern, sieht die DPG bundesweit eine „Rumpfpost für arme Leute“ kommen.

Die Briefzustellung ist für die Post der einzig verbliebene lukrative Geschäftszweig seit ihrer Umwandlung in eine Aktiengesellschaft 1994. Das liberalisierte Postgesetz hatte der Post bereits das Monopol auf Fracht entzogen. Der Umsatz daraus schrumpfte 1995 auf 3,4 Milliarden Mark, während die Postler für 19,2 Milliarden Mark Briefe beförderten.

Da das Porto eine Gebühr ist, kann die Post bislang keine Gewinne machen und keine Rücklagen bilden. Wenn das Monopol wegfällt, gibt es nicht einmal mehr gesicherte Umsätze, rechnet Postminister Bötsch der Koalition vor. Ohne die gesicherten Einnahmen aber könne die Post die jährlich vier Milliarden Mark für pensionierte Postler nicht aufbringen, die sie bis 2002 zahlen müsse. In diesem Fall müßte Bötschs Parteikollege, Finanzminister Theo Waigel, die Altlasten bezahlen. Doch der hat daran wegen seiner chronisch leeren Staatskassen überhaupt kein Interesse.