Die Nato-Osterweiterung tritt auf der Stelle

■ Neue US-Außenministerin Albright in Bonn. Rußland weiter gegen Nato-Pläne

Bonn (AFP/taz) – „Wir konzentrieren uns derzeit sehr stark auf die Substanz.“ Mehr als diese mageren Worte waren der neuen US- amerikanischen Außenministerin Madeleine Albright zu der geplanten Sicherheitscharta zwischen Nato und Rußland nicht zu entlocken. Nachdem sie gestern vormittag mit Bundeskanzler Helmut Kohl und Außenminister Klaus Kinkel über die Nato-Osterweiterung konferiert hatte, stand auch für Kinkel fest, daß nun Substanz in die Charta hineingebracht werden müsse.

Von welcher Beschaffenheit diese Substanz ist, ließen die Außenpolitiker offen. Doch dürfte es sich dabei kaum um das „ernsthafte, rechtlich verbindliche Dokument zwischen der Nato und Rußland“ handeln, daß sich der russische Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin als praktischen Ausweis einer neuen Sicherheitspartnerschaft gewünscht hat, als er vor einer Woche mit Präsident Bill Clinton zusammentraf.

Während Rußland eine vertraglich fixierte Mitsprache erhofft, wollen die Amerikaner eine Sicherheitscharta mit Konsultationsverpflichtungen zur Grundlage der Sicherheitspartnerschaft machen. Sowohl die USA als auch Deutschland wollen Rußland kein Vetorecht bei bündnisinternen Entscheidungen zugestehen.

Uneins bleiben Bonn und Washington in der Frage, ob ein Fünfergipfel zwischen den wichtigsten Nato-Staaten und Rußland sinnvoll ist, um Moskau von der Notwendigkeit der Aufnahme ehemaliger Ostblockstaaten in das Westbündnis zu überzeugen. Die Bundesregierung will ein solches Treffen nicht ausschließen, während die US-Seite es für unnütz hält. Ein solches Treffen Frankreichs, Englands, Deutschlands und der USA mit Rußland war vor einigen Wochen von Frankreich angeregt worden, um im Vorfeld des entscheidenden Nato-Gipfels im Juli die zentralen Konflikte zu regeln.

Kinkel reist heute zu weiteren Gesprächen über die Osterweiterung nach Moskau. Sein dortiger Gesprächspartner, Außenminister Jewgeni Primakow, hat gestern die Ablehnung der Nato-Osterweiterung bekräftigt. „Wenn vor Rußlands Grenzen eine gewaltige militärische Schlagkraft entsteht, sind wir darüber besorgt, egal ob sie uns bedroht oder nicht“, sagte er in einem am Sonntag abend ausgestrahlten Interview des russischen Fernsehsenders NTW. „Ich bin kein Antiwestler, aber ein Bündnis um jeden Preis (mit dem Westen) wäre für mich nicht akzeptabel.“

Heute sind Treffen Kinkels mit Ministerpräsident Wiktor Tschernomyrdin, Primakow, dem Vorsitzenden des Parlaments, Gennadi Selesnjow, sowie mit Anatoli Tschubais, dem Stabschef von Präsident Boris Jelzin, geplant. Am Mittwoch stand ein Treffen mit Verteidigungsminister Igor Rodionow auf dem Terminplan. Primakow sagte, Rußland könne keine Panzer schicken, um die Nato-Erweiterung zu verhindern und werde das auch nicht tun. „Das heißt aber nicht, daß wir sitzen bleiben und abwarten sollten.“ Der angestrebte Vertrag über besondere Beziehungen zwischen Rußland und der Nato ist nach Primakows Worten nur sinnvoll, wenn damit Rußlands Besorgnisse ausgeräumt würden.

„Das betrifft vor allem die Forderung, daß die militärische Infrastruktur der Nato nicht Richtung Osten vordringt.“ Zu einem möglichen Nato-Beitritt Rußlands sagte Primakow, ein Bündnis sei immer gegen irgend jemanden gerichtet: „Ich verstehe nicht, gegen wen wir uns mit der Nato verbünden sollten. Gegen China oder gegen Iran etwa?“

Am 20. März werden die beiden Präsidenten Bill Clinton und Boris Jelzin zu Beratungen zusammenkommen. dr