Sozialhilfeboom lähmt die Behörde

■ Bremen hat nicht nur die meisten, sondern auch die jüngsten SozialhilfeempfängerInnen – Konsequenzen sind unklar

In Bremen leben im Vergleich zu anderen Städten die meisten Sozialhilfeempfänger. Von 1.000 Einwohnern waren im Jahr 1995 90 auf Sozialhilfe angewiesen. Damit liegt die Hansestadt an der Spitze der 13 größten Großstädte Deutschlands. In Hamburg sind 77 von 1.000 Einwohnern auf Sozialhilfe angewiesen, in Duisburg 66, in München 35 und in Rostock 27. Außerdem sind Bremens Sozialhilfeempfänger am jüngsten. Der Anteil der 25 bis 34jährigen ist deutlich höher als in anderen Städten.

Das ist das Ergebnis einer Untersuchung über die Sozialhilfe in 13 Großstädten (Berlin ausgenommen), die Sozialsenatorin Tine Wischer (SPD) gestern vorgestellt hat.

Bremen hat allerdings auch die höchste Fluktuation unter den Sozialhilfeempfängern. 57 Prozent aller Sozialhilfeempfänger benötigen die Unterstützung weniger als ein Jahr. „Das böse Wort von der sozialen Hängematte ist damit widerlegt“, kommentierte Wischer das Untersuchungsergebnis. Gleichzeitig mußte sie allerdings zugeben, daß Bremen 41 Millionen ausgibt, um den Sozialhilfeempfängern den Ausstieg zu erleichtern – auch damit liegt die Hansestadt mit an der Spitze. „Die Binsenweisheit, daß hohe Arbeitslosigkeit einhergeht mit einer hohen Zahl von Sozialhilfeempfängern hat sich bestätigt“, sagte Wischer weiter.

In Bremen sind 33 Prozent aller Sozialhilfeempfänger arbeitslos. Damit bildet Bremen das Schlußlicht im Städtevergleich: In der Stadt Rostock, die an der Spitze dieser Tabelle liegt, sind 65,8 Prozent aller Sozialhilfeempfänger arbeitslos, in Hamburg 58,5 Prozent und in Hannover 56 Prozent. Beim Anteil ausländischer Sozialhilfeempfänger liegt Bremen mit 26,6 Prozent im Bundesdurchschnitt. Mit 43,8 Prozent hat Frankfurt die meisten ausländischen Sozialhilfeempfänger, Leipzig zählt mit 1,3 Prozent die wenigsten.

Im Schnitt hat Bremen 1995 und 1996 jeweils rund 300 Millionen Mark an Sozialhilfe gezahlt. Wenn die übrigen Hilfsangebote hinzugerechnet werden, sind es sogar pro Jahr eine Milliarde Mark. Zusätzlich werden jährlich rund 700 Millionen Mark Arbeitslosengeld und Arbeitslosenhilfe gezahlt.

Viel zu sagen hatte die Senatorin zu diesen Zahlen gestern nicht. Sie erkannte lediglich, daß die Zahl der Sozialhilfeempfänger weiter steigen werde, wenn sich wirtschafts- und arbeitsmarktpolitisch nichts ändere. Auch der Senat hat die 21 Seiten lange Untersuchung gestern lediglich zur Kenntnis genommen. Auch dazu, wann aus der 10.000 Mark teuren Untersuchung Konsequenzen gezogen werden, wußte die Senatorin nicht zu sagen. Zwischenzeitlich seien drei Arbeitsgruppen gegründet worden. Sie sollen Ursachen und Unterschiede zwischen den einzelnen Städten herausarbeiten, was die Kosten der Unterkünfte, die Einnahmen durch Unterhalt und einmalige Leistungen angeht. Auch die Verwaltungskosten, die nicht in der Untersuchung enthalten sind, sollen ermittelt werden. Wann die Ergebnisse vorliegen und in die Praxis umgesetzt werden, ist ebenfalls ungewiß. Staatsrat Christoph Hoppensack: „Das wissen wir noch nicht.“ kes