Das Portrait
: Ministerpräsident mit Zeitvertrag

■ Stefan Sofianski

„Ich habe immer weniger Zweifel, daß ich Interimsministerpräsident werde.“ Und er hat recht behalten: Seit Mittwoch ist Stefan Sofianski Bulgariens Ministerpräsident auf Abruf. Der 46 Jahre alte Wirtschaftswissenschaftler hat nach eigenen Angaben keine Angst „vor den zahlreichen Problemen, die das Kabinett in einem von der Krise verwüsteten Bulgarien erwarten“. Aber: Sofianskis Amtszeit ist kurz, denn sein Mandat gilt nur für die Übergangszeit von drei Monaten. Dann werden Neuwahlen am 19. April entscheiden, wer neuer Ministerpräsident Bulgariens wird.

Der bisherige Bürgermeister von Sofia gehört zur neuen Generation von gemäßigten Politikern des antikommunistischen Bündnisses der demokratischen Kräfte (SDS) und erfreut sich in Bulgarien großer Beliebtheit. Bereits bei seiner Wahl zum Bürgermeister im November 1995 konnte er sich mit großer Mehrheit gegen den Kandidaten der Sozialisten durchsetzen und so den Ruf der Hauptstadt als „Hochburg der Opposition“ festigen. Aber erst sein Auftritt in der Nacht zum 11. Januar machte ihn zum prominentesten Oppositionspolitiker: Sofianskis Appell an die Demonstranten, Ruhe zu bewahren und friedlich zu protestieren, wird es zugeschrieben, daß die Erstürmung des Parlamentsgebäudes während der anhaltenden massiven Proteste nicht mit einem Blutvergießen endete. Auf der Tagesordnung des als engagierter Wirtschaftsreformer geltenden Sofianski stehen nun konkret die Vorbereitungen der Neuwahlen sowie Verhandlungen mit internationalen Geldgebern. Auch hier dürfte sich jene Durchsetzungsfähigkeit beweisen, die der Interimsministerpräsident bereits als Vorsitzender des staatlichen Komitees für Post- und Fernmeldewesen in der bulgarischen Regierung von 1991 bis 1993 erworben hat. Hinzu kommt seine Erfahrung aus mehreren Jahren oppositioneller Parteiarbeit seit 1993.

Und so ließ Sofianskis erster Paukenschlag nicht lange auf sich warten: Das gesamte Direktorium der wichtigsten Ölraffinerie des Landes wurde entlassen, um so den kilometerlangen Schlangen vor Bulgariens Tankstellen wenigstens vorübergehend ein Ende zu machen.

Daß Sofianski aber auch andere Stärken hat, soll nicht unterschlagen werden: Bei dem erstmals im Februar 1996 in Sofia veranstalteten „Wiener Ball“ zählte Sofianski nach allgemeiner Ansicht zu den besten Tänzern. Per Brodersen