„Fähigkeitsniveau“ ist nur Mittelmaß

Studie des Max-Planck-Instituts für Bildungsforschung. Der deutsche Schüler landet im internationalen Vergleich von 45 Ländern unter „ferner liefen“. In Rechnen sogar auf Platz 22  ■ Aus Berlin Manfred Kriener

Wieviel ist 8.000 minus 5.827? Rund elf Prozent der deutschen Schüler sind nicht in der Lage, diese Aufgabe am Ende des achten Schuljahrs in schriftlicher Form zu lösen. Eine Dose Bohnen kostet bei Aldi 75 statt 60 Pfennig, um wieviel Prozent ist der Preis gestiegen? Nur einer von drei deutschen Achtkläßlern kennt die Lösung.

Die beiden Rechenaufgaben sind Beispiele eines großen internationalen Tests. 45 Länder haben die mathematischen und naturwissenschaftlichen Leistungen ihrer Schüler erforschen lassen. Das Ergebnis ist aus deutscher Sicht „besorgniserregend“, wie es in der zusammenfassenden Bewertung heißt. Deutsche Schüler sind demnach allenfalls Mittelmaß. In Mathematik erreicht jeder fünfte am Ende der achten Klasse allenfalls Grundschulniveau.

Bei den mathematischen Spitzenleistungen sind die heimischen Eleven sogar unterdurchschnittlich vertreten. Das Topniveau der weltbesten Mathematikschüler – das obere Zehntel der Leistungspyramide – erreichen 34 Prozent aller koreanischen Schüler, 32 Prozent der Japaner, 18 Prozent der Tschechen und Schweizer, 12 Prozent der Ungarn und Österreicher, aber nur 6 Prozent der deutschen Schülerinnen und Schüler. Die US- Amerikaner sind mit fünf Prozent noch etwas schlechter vertreten.

In Sachen Mathematik landeten die Schüler der Bundesrepublik insgesamt auf Platz 22 und erreichten damit ungefähr das Niveau der meisten angelsächsischen Länder. Asiaten und Osteuropäer bildeten die Spitzengruppe mit Platz eins für die Diktatur in Singapur. Das mathematische Verständnis asiatischer Schüler bleibe für deutsche Schüler wohl unerreichbar, heißt es mit lautem Stoßseufzer in der Auswertung.

Ob die deutschen Schüler dafür bessere Aufsätze schreiben und leichter Gedichte rezitieren, bleibt offen. Die Untersuchung beschränkte sich vor dem Hintergrund der zukünftigen technologischen und ökonomischen Wettbewerbsfähigkeit typischerweise ganz auf die naturwissenschaftlichen Leistungen.

Bedenklich waren die auffälligen Leistungsunterschiede zwischen Mädchen und Jungen bei den deutschen Schülern. Während die meisten anderen Industrienationen die relative Gleichheit der Geschlechter zumindest in den Schulleistungen erreicht haben, sind hierzulande die Mädchen von der Hauptschule bis zum Gymnasium immer noch deutlich schlechter. Dies liege vor allem an der „jungentypischen Kontextuierung“ vieler Schulaufgaben. Auf deutsch: Lehrbücher und Unterricht sind noch immer verstärkt auf die Lebenswelt des männlichen Nachwuchses zugeschnitten. Auffällig waren auch die Leistungsdefizite von Einwandererkindern in Deutschland.

Bei der Präsentation der Studienergebnisse im Berliner Max- Planck-Institut für Bildungsforschung suchten die Studienleiter Jürgen Baumert (MPI) und Rainer Lehmann nach den Ursachen für das schwache Abschneiden deutscher Schüler. An den Bildungsausgaben könne es nicht liegen, ebensowenig am Schulsystem. Egal, ob Integrierte Gesamtschule, Halbtags- oder Ganztagsschule: Die Leistungen waren immer nur allenfalls durchschnittlich mit geringen Unterschieden zwischen einzelnen Bundesländern. „Die Debatte über Schulformen führt in die Sackgasse“, warnte Baumert. Kritisiert wurde die mangelnde Bereitschaft der deutschen Lehrer zur Fortbildung und ein insgesamt zu schematischer Unterricht. Die Lehrer würden viel zu selten beim Unterricht beobachtet und begutachtet.

Für die demokratisch-sozialen Errungenschaften an deutschen Schulen hatten die Studienleiter wenig Sympathie. Die Japaner erzielten ihre Spitzenleistungen mit einem traditionellen, lehrergeleiteten Frontalunterricht und Klassenstärken von 40 Schülern, in Korea sogar von 50 Schülern.

Fazit der Präsentation: Jetzt seien die Kultusminister der Länder gefordert.