Moloch und Weltkrieg im Kampf um die Liebe

■ Kommt der Messias heute, dann muß er was von Medien verstehen: Michael Gira und die Swans in Hamburg

Ein schöner Mann mit einer martialisch weißen Haut prangte einst, nur mit einem hüftenumgürtenden Schurz bekleidet, von Promo-Fotos. Es handelte sich um den Sänger Michael Gira von der krachenden, strengen New Yorker Gruppe Swans. Die Fotos hätten allerdings auch die Unterschrift: „Hetero, circa 500 vor Christus“ tragen können. Es konnte kaum die Botschaft des Bildes verändern: ein Pop-Musiker, der Ernst und Selbstverblendung gleichzeitig darstellt. Ein Rock-Musiker, der ein „tiefes“, also durch die Epochen immer wieder bestätigtes Menschheitsgesetz symbolisieren will und eine Vorstellung davon hat, daß sich ein auf die Erde zurückkehrender Messias mit den Gesetzen der medialen Verwertung auseinandersetzen muß.

Gira und seine Band traten vor 15 Jahren an, um Hörerschaften mit bedrohlichen Haudrauf-Klängen zu überwältigen. Menschen sollten die Band nicht lieben, sondern sich von der mit Schöngeistern gewaschenen Musik ästhetisch korrekt erschlagen lassen.

Jungs erkannten in den Swans einen Gral der Selbstdefinition. Keine Freundschaft konnte die Seele des männlichen Adoleszenten so zum Klingen bringen. Keine Liebe konnte beim wahren Fan ähnliche Gefühlsausbrüche hervorrufen. Die Swans spielten für solche, welche persönliche Probleme wie einen Weltkrieg erleben wollten.

Deshalb lag den Anhängern der Swans daran, sich auf ihre Seite zu schlagen. Für Gira gab es nichts Totalitäreres als ein gegen Gefühle nicht gefeites Herz. Der Kopf eines Menschen bedeutet oder enthält nach ihm so etwas wie einen Moloch. Der Moloch und das Totalitäre stehen in einem Kampf, an dem keiner vorbeikommen kann, und der deshalb alle zu einer tragischen Gemeinschaft zusammenfaßt. In ihr zu leben, heißt, einen Mythos zu achten. Dieser Mythos macht die, die ihn verstehen, das heißt, an ihn glauben, zu besseren Menschen. Inhalt des Mythos: Größe kann man gar nicht groß genug finden.

Mit seiner Frau Jarboe betrieb Gira in den 80er Jahren das ebenfalls schillernde und natürlich auch für die Arbeit am Mythos bestimmte Projekt Skin. Die Swans blieben Charts-Hörern mit ihrer Version eines Songs von Joy Division „Love Will Tear Us Apart“ in Erinnerung.

Jetzt ist Gira, die klassische Type, zurück. Den Swans wäre im Konzert zwischen einem akustischen Set und Hard Rock viel zuzutrauen. Nur weiß keiner so recht, wozu er die Band eigentlich gebrauchen kann. Kristof Schreuf So, 23. Februar, 21 Uhr, Gr. Freiheit