Lobster und Wasserleichen

■ „Grundehrliche Zeiten“ von Peter Buchholz langweilt im Ernst Deutsch Theater

Dem Dramatikernachwuchs eine Chance zu geben, ist notwendig. Daraus ist ein Programm zu machen, wie das Ernst Deutsch Theater erklärtermaßen mit seinem „II. Programm“, dem Forum für junge Dramatiker, ist löblich. Warum man allerdings, wenn man 160 Einsendungen neuer Manuskripte erhält und „die Theaterstücke von Morgen“ zeigen will, für die einzige Uraufführung im Jahr genau das Stück auswählt, das nichts als ein Aufguß der Stücke von Vorgestern ist, und dazu noch ein schlechter, ist absolut unververständlich.

Grundehrliche Zeiten wirft einen Blick hinter die Wände der Welt der Top-Manager - ein Thema, das uns alle angeht“, hatte Intendantin Isabella Vértes-Schütter die Auswahl begründet. Peter Buchholz' Theatererstling ist noch unreflektierter als diese Aussage. Schlimmer: Er ist inhaltlich voller Klischees, formal eklektisch und obendrein superlangweilig. Buchholz bedient sich des in den achtziger Jahren modischen Yuppypersonals und läßt es im gleichsam psychologischen und gesellschaftskritischen Rahmen amerikanischer Stücke der Sechziger agieren. Edward Albee wird ihn inspiriert haben, zwei sich zerfleischende Ehepaare in eine alkoholdurchtränkte Nacht auf die Bühne zu stellen. Auch der obligate Partnertausch ist dort bereits angelegt. Damit klar wird, daß es hier aber nicht um Professoren, sondern um echte Top-Manager geht, werden gleich zu Beginn Börsenkurse verlesen.

Der Autor hat überhaupt ganz tief in die Authentizitätskiste gegriffen. Weil Manager, wie schon das Wort nahelegt, aus dem englischen Sprachraum kommen, läßt der Westfale seine Figuren in Wisconsin zu Hause sein. Und deshalb in englischen Halbsätzen radebrechen. Sind diese „Bullshits“ und „So Whats“ an sich schon peinlich, wird hier noch ein ultrapeinliches Schnäppchen daraus geschlagen: Die anständigen Schauspieler müssen keine unanständige Worte in den Mund nehmen. Höhepunkt der Verklemmtheit in dem so gerne „tough“ erscheinen wollenden Stück ist so die Frage Pats: „Was wird, wenn ich einmal nicht mehr will to suck his cock?“ Schwanzlutschen, Baby.

Ives Yansen, Regisseur der Uraufführung, scheint vor allem darauf geachtet zu haben, daß die Schauspieler sich nicht ins Wort fallen, was die Dialoge der Alkoholisierten noch hölzerner macht, als die Darsteller spielen. Es geht darum, daß Jelinek, der arbeitslose Manager, Grant, dem einflußreicher Manager, bei Champagner, Lobster und einem Gespräch über Wasserleichen in den Arsch kriecht, um einen Führungsposten zu bekommen. Als das nicht klappt, übernimmt seine Frau das Arschkriechen. Diese Aktionen wiederholen sich. Man muß nicht alle Stücke der Stadt gesehen haben, um zu wissen, daß dieses zu den schlechtesten zählt.

Christiane Kühl