Länger arbeiten ohne Lohnausgleich

■ Unsittliche Angebote und 50 Kündigungen bei Ritz Meßwandler in Eppendorf

„Heute ich und morgen du, und dann macht der Laden zu“: Der Chor der Belegschaft der Firma Ritz Meßwandler, die sich gestern vor die Werkstore in Eppendorf stellte, um gegen Arbeitsplatzvernichtung zu protestieren, klang bereits beim dritten Versuch recht kräftig. Eher durch Zufall hat der Ritz-Betriebsrat erfahren, daß die Geschäftsleitung einen Produktionszweig nach Ungarn verlegen will: 50 Arbeitsplätze werden im Hamburger Stammhaus der Firma, die als einzige in Deutschland Spannungsumwandler im Niedrig-, Mittel- und Hochspannungsbereich produziert, gestrichen.

„Seit 1994 sind bereits 150 Arbeitsplätze abgebaut und zum Teil nach Ludwigslust und Dresden verlegt worden“, erklärt Gerhard Arland, Vorsitzender des Betriebsrats. „Und das, obwohl uns die Geschäftsleitung seit Jahren erzählt, sie wolle Hamburg als Standort erhalten.“ Grund für die neuerlichen 50 Kündigungen sei, so Arland, daß Hauptkunde Siemens keine Preiserhöhungen akzeptieren wolle. Die von IG Metall ausgehandelte Lohnerhöhung von 1,5 Prozent für 1997 und 2,5 Prozent für 1998 sei deshalb aus Sicht der Firmenleitung nicht tragbar. Für eine Stellungnahme gegenüber der taz war die Geschäftsleitung gestern nicht zu erreichen.

Deren Vorstand Ingmar Grabow hat Anfang der Woche vorgeschlagen, nach den 50 Kündigungen den restlichen 350 Beschäftigten ein Jahr Kündigungsschutz zu garantieren. Kleiner Haken: Dafür sollen sie 39 Wochenstunden arbeiten, vier davon unbezahlt. „Ein unsittliches Angebot“, kommentiert Arland. Die MitarbeiterInnen erwarten nun, daß die Geschäftsleitung bei der morgigen Betriebsversammlung „die Karten auf den Tisch legt“, sagt Arland. Auch die IG Metall schüttele den Kopf darüber, daß der Betriebsrat nicht rechtzeitig informiert worden sei: „Das ist rechtswidrig.“

In der Abteilung „Niederspannung“, die nun in den billigen Osten gehen soll, arbeiten vor allem Frauen. „Ich bin seit 35 Jahren hier“, sagt Hannelore Lach. „Das ist meine Familie, mein Zuhause.“ Sie hofft darauf, weiterbeschäftigt zu werden, weil es doch günstiger sei, Leute zu entlassen, die noch nicht lange da sind. „Wir sind traurig, haben uns aber eigentlich schon damit abgefunden“, meint Ursula Boje, seit sechs Jahren im Betrieb. Empört sei sie allerdings, daß ihre Abteilung nun in Hamburg erst einmal die Leute einarbeiten müssen, die künftig in Ungarn eingesetzt werden sollen: „Die nehmen uns die Arbeit wahrhaftig aus den Händen.“ Ulrike Winkelmann