Steuerparadies Elbchaussee

Trotz modernisierter Finanzämter: Hamburgs Reiche zahlen keine Steuern. Stadtkämmerer Runde gegen neue Haushaltssperre  ■ Von Florian Marten

Monaco oder Liechtenstein sind out, Hamburgs oberste Zehntausend kennen ein besseres Steuerparadies: die Elbchaussee. „Mehr als die Hälfte unserer Steuerfälle zahlt keine Einkommenssteuer“, diese Meldung des Finanzamtes Elbufer, zuständig für eine der reichsten Ecken der Stadt, habe er kürzlich zur Kenntnis nehmen müssen, klagte gestern Hamburgs Finanzsenator Ortwin Runde.

Des Rätsels Lösung ist ganz einfach: Den Einkommenssteuersatz von null Prozent läßt sich in Deutschland durch die geschickte Kombination von Steuerschlupflöchern und Abschreibungsprivilegien erreichen. Laut Runde hat inbesondere „die Sonderabschreibung Ost“, die für Immobilien und Gewerbeinvestitionen in Neufünfland gewährt wird, Hamburgs Reiche steuerfrei gestellt.

Dennoch präsentierte Runde gestern stolz eine Fülle von Neuerungen, welche die „Steuermoral“ der Hansestädter, zumindest abseits der Elbchaussee, nachhaltig erhöhen sollen. Mit vernetzten PCs, neuer Software, mehr Betriebsprüfern und einer Neuorganisation will die Finanzbehörde Hamburgs Steuerverwaltung bis zum Jahr 2000 zu einer leistungsfähigen Einnahmemaschine ausbauen.

Der Rückstand der stadtstaatlichen Geldbeamten in Sachen Datenverarbeitung gegenüber Banken und Versicherungen ist allerdings noch immer erschreckend: Erst 1994 begannen Hamburgs Finanzämter mit dem Einsatz von PCs, erst im nächsten Jahr werden dort vernetzte Systeme mit neuer Software stehen. Sie ermöglichen dann den SachbearbeiterInnen endlich, in einem Arbeitsgang selbst einen Steuerfall zu erledigen.

Auch ein anderer Rückstand wird allmählich aufgeholt: Während andere Behörden mit größter Anstrengung Stellen streichen, waren in Hamburgs Steuerverwaltung mehrere hundert Stellen nicht besetzt. Ende 1997, wenn der „sehr starke Ausbildungsjahrgang 1994“ seine Ausbildung abschließt, soll damit Schluß sein. Mit schon bald 750 statt bislang 620 Betriebsprüfern will Runde den „Kleinst- und Kleinbetrieben“ erstmals die Chance auf eine Betriebsprüfung eröffnen.

Unterstützen dürfte diesen Ansatz die Neuorganisation der Finanzämter: Sie sind zukünftig auch für die in ihrem regionalen Bereich liegenden Betriebe zuständig. Und für die Großen wird ein eigenes „Konzernfinanzamt“ geschaffen.

„All diese Verbesserungen aber“, so schränkte Runde ein, „können die Finanzsituation der Stadt nicht grundlegend verbessern.“ Für die nahe Zukunft befürchtet Hamburgs Stadtkämmerer sogar eine weitere Verschärfung der Lage. Haushaltssperren, wie jetzt von Bundesfinanzminister Theo Waigel für den Bund angekündigt und von Runde im vorigen Jahr in Hamburg selbst verhängt, hält er mittlerweile jedoch für „saudämlich“: „Damit würde der letzte Rest an Konjunktur abgewürgt.“