Berlin badet nachts

■ Die längeren Öffnungszeiten in den Schwimmhallen seit 1. Februar kommen gut an. Die Bäder-Betriebe planen den Start in die Freibadsaison schon für Mitte April

Abends, halb zehn, in Reinickendorf. Im Paracelsus-Bad ist noch lange nicht Schluß, und der Mann an der Kasse lächelt ein wenig. Tamara Liebenhagen ist auch guter Dinge. „Ich bin eine Nachteule“, meint die Verwaltungsangestellte mit rosigen Wangen. Die Sauna war eine Wohltat. „Das ist sogar schon mein zweiter Versuch hier seit den neuen Öffnungszeiten.“ Obwohl die junge Frau „gleich um die Ecke wohnt“, habe sie es früher „so gut wie nie“ geschafft, ins „Para-Bad“ zu gehen. Da war nur bis Neun geöffnet. Jetzt steht ihr das Bad bis 23 Uhr zur Verfügung. „Wenn man bis 17, 18 Uhr arbeitet, kommt einem das sehr entgegen.“

Zwanzig, dreißig Leuten, die in der Schwimmhalle ihre Runden drehen, scheint das ebenso zu gehen. „An den Warmbadetagen mit 29 Grad Wassertemperatur sind es oftmals sogar noch mehr um diese Zeit“, meint Badewärter Peter Schoengraf, selbst erst seit kurzem im Paracelsus-Bad beschäftigt. „Ich war früher bei den Engländern, dachte nicht, daß ich noch mal Arbeit finde, aber dank der erweiterten Öffnungszeiten ...“

Günstig ist das neue Angebot auch für einen „brotlosen Künstler in Umschulung“ wie Hubert Lang, nächtlicher Saunagänger in der Halle am Ernst-Thälmann-Park. „Ich habe schon früher versucht, einmal die Woche ein bißchen was für die Gesundheit zu tun, aber jetzt kann ich meine Zeit abends viel besser nutzen.“ Wahrscheinlich, schätzt der Umschüler, würden auch noch viel mehr Anwohner des Abends schwimmen gehen, als jene dreißig bis vierzig, die sich kurz vor 23 Uhr im Becken tummeln, „doch es wurde ja überhaupt nicht für das neue Angebot geworben.“

Ob morgens um sechs mit etwas mehr Öffentlichkeitsarbeit statt des Personals noch jemand anderer vor dem Kreuzberger Bad am Spreewaldplatz gestanden hätte, muß allerdings bezweifelt werden. Der Wunsch der Berliner Bäder- Betriebe, mit verlängerten Öffnungszeiten vorerst in fünf Schwimmhallen mehr Publikum anzulocken, erfüllt sich frühestens ab sieben. „Dann kommen die ersten sechs, acht Leute, die sonst ein paar Stunden später dagewesen sind“, weiß eine Mitarbeiterin des Spreewaldbades.

Die 58jährige Gerda Kuhrig reist mit dem Bus extra aus Tiergarten an. „Früher bin ich jeden Tag Schwimmen gegangen.“ Nun kommt sie nur noch einmal die Woche. Doch nicht wegen der weiten Anreise, sondern wegen der hohen Preise seit April vergangenen Jahres. Die drastisch gestiegenen Eintrittspreise hatten immerhin dazu geführt, daß statt der mehr als 6 Millionen Badegäste in den Vorjahren 1996 nur noch 1,6 Millionen Besucher in den Frei- und Hallenbädern der Stadt gezählt werden konnten.

Eine Fehlentscheidung, die die Berliner Bäder-Betriebe auf ihrer gestrigen Aufsichtsratssitzung zurücknehmen wollten. Nun sollen dagegen Jahres- bzw. Halbjahreskarten eingeführt werden, bei denen man für 380 Mark (ermäßigt 150 Mark) bzw. 200 Mark unbegrenzt in allen Bädern der Stadt baden kann. Kurzbader sollen ab April nur noch 4 statt 5 Mark zahlen, wenn sie die Halle bereits nach einer Stunde wieder verlassen.

Nicht nur für die Bündnisgrünen im Abgeordnetenhaus, die diesen „ersten Schritt in die richtige Richtung“ gestern sehr begrüßten, sondern auch für Umschüler Lang ein akzeptables Angebot. „Dazu noch möglichst viele Staffelungen fände ich gut, denn manchmal hat man nur eine Stunde Zeit und möchte trotzdem in die Halle gehen.“

Riesige Umbauten und Versuche, Bäder attraktiver zu gestalten, hält Hubert Lang nicht für nötig. „Spaßbäder sind doch gar nicht so gefragt, denn die sind letztlich viel zu teuer“, meint er. Doch wer zum Schwimmen oder in die Sauna geht, der wolle dies gern regelmäßig tun. Riesenrutsche und Wasserspiele lockten höchstens einmal im Jahr, „im Urlaub mit Kindern oder so“.

Mehr Spaß ist oft schon mit geringem Aufwand möglich. Im Paracelsus-Bad ist nunmehr jeden Samstag Kindertag. „Da stellen wir hier eine große Rutsche auf. Die Kinder bringen Badetiere, Bälle mit. Platz zum Schwimmen ist dann allerdings nicht mehr“, erklärt Badewärter Schoengraf. Auch den Studentinnen Sina und Anja, die „jetzt wieder regelmäßiger“ in die Halle im Ernst-Thälmann-Park kommen wollen, genügen fürs erste kleine Veränderungen. „Musik und gedämpftes Licht in den Spätöffnungszeiten beispielsweise“, so Sina, „aber auch etwas weniger muffliges Personal.“ Zwei Mark fünfzig für zwei Stunden in der Halle oder drei Mark fürs Freibad könnten sie sich auch weiterhin leisten.

Die sollen in diesem Jahr bereits am 12. April ihre Pforten öffnen, unter anderem das Strandbad Wannsee, die Freibäder Müggel-, Plötzen- und Orankesee sowie die Bäder in der Prinzen-, der Seestraße oder am Ankogelweg. Zwölf insgesamt. Die restlichen 22 Frei- und Sommerbäder starten dann 14 Tage später. Dafür schließen von 26. April bis 28. September voraussichtlich zehn Hallenbäder. „Vielleicht haben die Freibäder ja dann auch Nachtbetrieb“, hoffen die Studentinnen. Kathi Seefeld