Ein Hauen und Stechen in Serbiens Politklasse

■ In der Regierungspartei wächst der Unmut über die Säuberung in den eigenen Reihen. In Belgrad wird die Opposition morgen den neuen Bürgermeister wählen

Berlin (taz) – Widerstand gegen den serbischen Präsidenten Slobodan Milošević regt sich jetzt auch in den Reihen seiner eigenen Partei. In Smederevo und Leskovac weigern sich die lokalen Parteipatriarchen nach Berichten der Belgrader Presse, von ihren Ämtern zurückzutreten. Deren Absetzung in den Städten, in denen die Opposition bei den Kommunalwahlen gesiegt hatte, wurde von der Führung der Sozialistischen Partei (SPS) zu Wochenbeginn beschlossen. Mehrfach hatte die Parteiführung versucht, die Verantwortung für die plumpen Wahlfälschungen auf niedere Schultern abzuladen. Aus diesem Grunde wurde der Partei-Chef im südserbischen Leskovac, Gojko Velićković, aus der Partei entfernt. Dasselbe Schicksal hatte zuvor den als Hardliner geltenden Bürgermeister von Niš, Mile Ilić, ereilt. Die Säuberungswelle in der SPS deutet an, daß Milošević seinen Parteigängern nicht mehr uneingeschränkt vertraut. Die Kabinettsumbildung der vergangenen Woche weist ebenfalls in diese Richtung. Gestärkt hatte Milošević die einzig ihm treu ergebene Truppe der Vereinten Jugoslawischen Linken (JUL), die von seiner Ehefrau Mira Marković kommandiert wird. Obwohl die JUL über keinen einzigen Abgeordneten im serbischen Parlament verfügt, erhielt sie bei der Kabinettsumbildung 7 von 13 neu besetzten Ressorts. Mit diesem Revirement und der parteiinternen Säuberungswelle hat Milošević die Zahl seiner Gegner und Feinde in den eigenen Reihen nicht unerheblich vermehrt. Der Gerüchteküche zufolge wird dem Belgrader Ex-Bürgermeister Nebosjan Covic, der wegen seiner Kritik an den Wahlmanipulationen aus der SPS ausgeschlossen worden war, zugetraut, aus unzufriedenen Kadern der SPS eine neue Partei aus dem Boden zu stampfen.

Selbst wenn das Regime den politischen Spielraum von Zajedno einengt und in städtischen Rathäusern nur leere Kassen und einen Haufen Schulden hinterläßt, zum Aufatmen bleibt dem Regime keine Zeit. Die Studenten setzen ihre Demonstrationen fort, weil ihre Forderungen nach Ablösung des Rektors und seines studentischen Vertreters nicht erfüllt sind. Tausende von Lehrern und Angestellten des öffentlichen Dienstes streiken für die Auszahlung ihrer ohnehin mageren Gehälter. Und in drei Wochen will Zajedno wieder auf der Straße stehen, wenn Rundfunk und Fernsehen weiter unter der Regierungsknute bleiben sollten. Auch die sozialen Probleme werden nicht kleiner. Der monatliche Durchschnittslohn von rund 200 Mark reicht zum Leben längst nicht mehr aus. Die Arbeitslosigkeit wächst und liegt nach Schätzungen schon bei fast 50 Prozent.

Den einzigen Strohhalm, auf den Milošević noch hoffen kann, hat ihm Zajedno selbst angeboten. Kaum war der Etappensieg in den Rathäusern eingefahren, brachen die Zajedno-Führer einen Kleinkrieg um die Vergabe von Posten und Pöstchen vom Zaume. Monate vor den geplanten Präsidentschafts- und Parlamentswahlen schacherten die ambitionierten Oppositionsführer um Präsidentschaftssessel und Regierungsämter. Einigen konnten sie sich wenigstens auf Zoran Djindjić als Kandidaten für den Bürgermeisterposten in Belgrad. Doch wie viele der 69 Zajedno-Stadtverordneten Djindić wählen werden, wird sich erst morgen zeigen. Dann tritt der Stadtrat zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Georg Baltissen