Den Kronzeugen sind sie los

Joel Boateng, der Polizisten Scheinhinrichtungen vorwarf, wurde gestern verurteilt und wird „baldmöglichst“ abgeschoben  ■ Von Elke Spanner

Hamburgs Polizei ist ihren Ankläger los: Joel Boateng wird abgeschoben. Der Ghanaer, der mit seiner Anschuldigung, Polizisten der Wache 11 in St. Georg hätten eine Scheinhinrichtung inszeniert, im Hamburger Polizeiskandal Beamte belastete, wurde am Donnerstag in Abschiebehaft genommen – direkt aus dem Gerichtssaal heraus, wo er soeben zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden war. Das Altonaer Amtsgericht sah es als erwiesen an, daß Boateng im November 95 versuchte, eine Frau zu vergewaltigen. Zudem wurde er wegen Bedrohung, Körperverletzung und Diebstahl verurteilt.

„Baldmöglichst“ soll er in seine westafrikanische Heimat geflogen werden. Seit kurzem liegt der Ausländerbehörde der erforderliche Paßersatz vor, auf den Boateng und seine Abschieber seit langem gewartet hatten – er, weil er sich nach eigenem Bekunden selbst zur Ausreise entschlossen hatte, und die Ausländerbehörde, um ihn endlich außer Landes bringen zu können.

Denn „nach den Gesamtumständen des Falles“, so deutete Ausländerbehördensprecher Norbert Smekal lediglich an, habe man an eine freiwillige Ausreise nicht geglaubt. So warteten die BeamtInnen nur noch auf das gestrige Urteil. Mit dem Prozeß endete auch Boatengs Recht, sich in Hamburg aufzuhalten. Die Duldung lief aus.

Den Vergewaltigungsvorwurf hatte Boateng bis zum Schluß bestritten. Das Gericht glaubte der Frau: In der Gemeinschaftsküche des Wohnschiffes „Bibby Kalmar“ habe Boateng die Mitbewohnerin aus Ex-Jugoslawien mit einem Messer bedroht, um sie zum Sex zu zwingen. Dafür habe er den Raum verdunkelt. Durch das Schreien der Frau sei deren Ehemann aufmerksam geworden und habe die Vergewaltigung verhindern können.

Boateng hatte vor Gericht versucht, den Spieß umzudrehen: Die Frau habe sich auf dem Schiff prostituiert und ihm an jenem Morgen des 2. November 95 in der Küche sexuelle Angebote gemacht. Die habe er abgelehnt. Mit einem Messer in der Hand sei er ausgerutscht und dabei gegen den Lichtschalter gefallen. Dadurch sei bei der Frau der Eindruck entstanden, er habe sie bedrohen wollen.

In dem Versuch, sich selbst durch die Diskreditierung der Mitbewohnerin zu entlasten, wurde Boateng von seinem Anwalt Ernst Rösler unterstützt. Der erklärte nach dem Prozeß: „Nicht jeder, der wie ein Hornochse eine Frau angeht, ist ein Vergewaltiger.“

Wird Boateng in den nächsten Tagen nach Ghana abgeschoben, wird er die zweieinhalb Jahre Gefängnis voraussichtlich nicht absitzen müssen. Mit Ghana gibt es kein Rechtshilfeabkommen, durch das eine in Deutschland verhängte Strafe dort zu verbüßen wäre.