Orgasmen mit Mehrwert

■ Schön poetisch: „Der Unfisch“ von Robert Dornhelm im Panorama

Ein Blauwal reist auf einem gelben Lastwagen durch die Alpen. Dazu erschallt aus Pauken, Trompeten und einer Tuba „La Paloma“. Der Fahrer stirbt, der Wal kommt zum Stehen auf dem Marktplatz eines österreichischen Dorfes, wo die Gänse seelenruhig ihre Kreise ziehen. „Der Unfisch“ spielt Ende der 50er Jahre, vielleicht Anfang der 60er. Wann genau, ist aber auch egal, denn hier haben wir es mit einem Märchen zu tun. Im Off erzählt eine freundlich-ironische und sonor-beruhigende Stimme, und noch die unerklärlichsten Dinge erscheinen plötzlich logisch.

Sophie, gespielt von Maria Schrader, erbt den Fisch, der keiner ist, und findet auf dem Marktplatz neben dem 15 Meter langen Ungetüm noch ein weiteres Denkmal vor: Carl sitzt auf den Stufen der Kirche, wo ihn seine Braut Maria versetzt hat. Im Inneren des Wals finden die beiden ein Museum mit allerlei illuminierten Effekten und stellen fest, daß Sophie hier zur Wunschmaschine wird. Wer mit ihr im Bauch des Tiers schläft, bekommt erfüllt, was er sich beim Orgasmus wünscht.

Im Laufe weiterer Verwicklungen wird Maria zum Hund verwunschen, also legt sich Sophie mit unbewegter Miene unter sämtliche Männer des Dorfes, um das Unheil wiedergutzumachen. Die Männer aber wünschen sich immer das Falsche, Geld, bessere Zähne oder einen Tennisplatz im Obstgarten. Im folgenden wird Carl des Mordes verdächtigt, Sophie zur Fickmaschine degradiert und mit ihr die Wunschmaschine zur Wunschindustrie, das Dörfchen prosperiert, und die Yuppiegesellschaft hat Einzug gehalten, bevor überhaupt die industrielle Revolution hat stattfinden können.

Das klingt ganz so, als hätte Fellini aus dieser Geschichte einen wundervollen Film gemacht, hätte feuerschluckende Gaukler aufgefahren und Liebende den Mond betrachten lassen. Auch hier ziehen immer wieder Wolken am Himmel vorbei, aber mal ganz ehrlich: So was als deutscher oder in diesem Fall österreichischer Film, ist das nicht eine schreckliche Vorstellung? Hierzulande poetisch werden? Muß so ein Film nicht unweigerlich zur einzigen großen Interpretationshilfe werden? Wo bloß noch fehlt, daß der Regisseur selbst ins Bild tritt, um zu erklären, was er sich dabei so gedacht hat?

Doch nichts von alledem, keine Holzhammersymbolik, keine schwermütigen Sätze über das Dasein. Höchstens so etwas wie: „Ein Wal ist kein Fisch.“ Weil die Geschichte ein Märchen ist, hat sie Robert Dornhelm so schlicht inszeniert, die Figuren dabei nicht allzu ernst nehmend, und die Botschaften erst recht nicht.

Vielleicht ist es eine Parabel auf das Wirtschaftswunder, vielleicht soll die Unterdrückung der Frau angeklagt oder einfach gesagt werden, daß Heteros doof sind. Aber „Der Unfisch“ funktioniert auch ohne das. Er zieht einen in seine Welt, weil die von unserer gar nicht so weit entfernt ist. Man sitzt da und erwischt sich beim permanenten Grinsen. „Man ist das Wünschen nicht gewöhnt“, sagt der Bürgermeister. Wer sich gewünscht hat, daß ein deutschsprachiger Film auch einfach schön sein kann, ganz ohne Stadtgespräche in teuren Klamotten, der hat seinen Wunsch erfüllt bekommen. „Das Glück ist geizig, und trotzdem will es jeder haben“, sagt die Stimme noch, und das klingt plötzlich gar nicht oberlehrerhaft.

Nur Maria Schrader sieht immerzu aus, als hätte sie irgendwas in den Backen. Thomas Winkler

„Der Unfisch“. Regie: Robert Dornhelm. Buch: Michael Köhlmeier, Mit Maria Schrader, Eva Herzig u.a. Österreich 1996. 98 Min.24. 2.: 17 Uhr International