Kleine Detektive

Viel mehr als ein Thriller: „Mai Fu – Überwachung“ von Jianxin und Yazhou im Wettbewerb  ■ Von Anke Westphal

An Bais Zimmertür klebt ein Plakat. Darauf steht: „New Arrival“. Damit kann nur China gemeint sein. Eines Nachts hält ein Auto vor einem Wohnhaus, vier Männer steigen aus, dringen in eine Wohnung ein und töten eine Familie. Am nächsten Morgen schauen die Offiziere von Polizei und Sicherheit von oben, vom Dach aus, auf den Menschenauflauf vor dem Haus.

Am Anfang verspricht der Film einen Thriller und ist am Ende viel mehr als nur das. Ye Minzhu und Lao Tian werden zur Überwachung des Killer-Bosses „Wise One“ eingeteilt. Alles ist streng geheim. Das unbesiegbare China besiegt gerade das Verbrechen, den ungebetenen Zwillingsbruder des „New Arrival“. Die Fernsehkameras sind dabei, wenn ein Ganove festgenommen wird.

Ye Minzhu und Lao Tian richten sich im Wasserturm nahe einer verlassenen Bahnstation ein, dem „Operationsgebiet des Bösen“: zwei kleine Detektive, zwei Fernrohre. Sie sind keine besonders guten Detektive. Tian ist warmherzig und sogar pflichtbewußt, aber auch todkrank. Minzhu hat Ärger mit seiner Freundin Bai, der nicht gefällt, daß er für Wochen „in geheimen Missionen“ verschwindet. Zudem kehrt Bais gutaussehender Ex aus Japan zurück, Anzug, klasse Haarschnitt, echte Rolex.

Die Regie von „Mai Fu“ betreibt die Privatisierung von Verbrechen und Verbrecherjagd und letztlich auch Politik – es ist ein bißchen, pardon, wie in Michael Manns „Heat“. Das gilt auch für den Respekt, den das Verbrechen vor seinen Gegnern – Polizei und Sicherheit – hat und umgekehrt. Sie sind sich ja eigentlich so verdammt ähnlich. Am Ende schlägt Minzhu einen schleimenden Kollegen zusammen. Nur ist „Mai Fu“ besser als „Heat“: nämlich tragikomisch anstelle von pathetisch.

Minzhu kann scharfe Schäferhunde mit zwei gespreizten Fingern hypnotisieren. Das hat er von „Crocodile Dundee“ gelernt. Gegen die große Porno-Versuchung schützt ihn sein „marxistisches Bewußtsein“.

Blick nur – etwas blickt immer zurück

Tage vergehen, die kleinen Detektive langweilen sich und werden dabei längst von dem beobachtet, den sie beobachten sollen. „You watch others – others watch you.“ Tian beobachtet seinen Freund Minzhu und wird dabei von seinem Vorgesetzten beobachtet, der wiederum von seiner Assistentin beobachtet wird. Minzhu, scheinbar ganz am Ende dieses Kreislaufes aus Mißtrauen und Angewiesensein, beobachtet wiederum seine Freundin Bai. Blick nur – etwas und jemand blickt zurück.

Als der Fall aufgeklärt ist, sieht es so aus, als hätten die kleinen Detektive umsonst drei Wochen auf dem Wasserturm gewacht, gedurstet und gehungert. Der widerliche Kollege vom Anfang des Films hat einfach vergessen, ihnen Bescheid zu sagen, sie – das Wort macht schließlich mehr her – vom Turm „zu evakuieren“: der beste Beweis dafür, daß niemand die kleinen Detektive eigentlich braucht.

Die Ideale – sie dürfen nicht vergeblich sein

Währenddessen hat sich „Wise One“, der oder das große Böse, im Kino alte Liebesfilme angesehen. Tian weint, als er vor Abschluß der Mission ins Krankenhaus geht, um zu sterben: „I'd like to be your boss in the next life, too.“ Das Leben, die Ideale – sie dürfen nicht so vergeblich gewesen sein, aber Tian weiß es besser. Minzhus mysteriöses Orakel, mit dem er einsame Turm-Nächte hindurch telefonierte, erweist sich schließlich als völlig ertaubter, alter Mann.

Am Schluß großer Applaus im Zoopalast. Was die Motive für den Mord zu Beginn waren, wird nicht erzählt, weil es längst bedeutungslos geworden ist.

Dies ist mein Kandidat für den Goldenen Bären.

„Mai Fu – Überwachung“. Regie: Huang Jianxin und Yang Yazhou. Mit: Feng Gong, Jiang Shan, Teng Rujun u.a. China 1996, 105 Min.

Heute: 9.30 Uhr Royal Palast; 21 Uhr Urania; 22. 1.: 20 Uhr International