Verfassungsschutz schult

■ Mittelständische Unternehmen sind bei Spionage besonders gefährdet

Der Verfassungsschutz berät Firmen, die sich vor Industriespionage schützen wollen. Vor allem mittelständische Unternehmen, die nicht über einen großen Apparat verfügten, seien gefährdet, erklärte Verfassungsschutzchef Eduard Vermander gestern im Verfassungsschutzausschuß des Abgeordnetenhauses. Dem Ausschuß lag ein Bericht des Landesamtes vor, der sich mit der Entwicklung der Spionage befaßt.

Vermander erklärte, daß der Verfassungsschutz Firmen auf Anfrage berate und warne, falls konkrete Erkenntnisse vorlägen. Derzeit werde überlegt, ein Aufklärungsseminar für den Mittelstand zu organisieren. Darüber habe er bereits mit den Präsidenten der Industrie- und Handelskammer und des Unternehmerverbandes gesprochen.

Die Informationsbeschaffung erfolgt nach Vermanders Angaben häufig über legale Niederlassungen. Nach Erkenntnissen des Verfassungsschutzes gibt es in Berlin 25 russische Firmen, deren Geschäftsführer für den KGB tätig waren und wo von einer nachrichtendienstlichen Betätigung auszugehen sei. Aber nicht jeder Ex- KGB-Angehörige, der sich eine neue Existenz aufbaue, sei ein Spion, schränkte Vermander ein.

Die bündnisgrüne Abgeordnete Renate Künast schlug vor, die Industrie für Dienstleistungen des Verfassungsschutzes zur Kasse zu bitten, da es primär um wirtschaftliche Interessen gehe. Die Darstellung von Innenstaatssekretär Kuno Böse, wonach „eine weitaus größere Zahl von Nachrichtendiensten in Berlin aktiv“ sei, als vor dem Fall der Mauer, zweifelte sie an. Der KGB, so Künast, habe sich zwar in vier Spezialdienste geteilt, das Personal sei aber nicht aufgestockt worden. Künast kritisierte Böses Bericht insgesamt als „erschreckend allgemein“ und „sehr dünn“.

Böse rechnet damit, daß auch im Zusammenhang mit dem Regierungsumzug mit einer „Intensivierung der nachrichtendienstlichen Aktivitäten“ zu rechnen sei. Dagegen halten die Grünen die Berichte über zunehmende Spionageaktivitäten für „übertrieben“. Sie dienten vor allem dazu, die Existenz des Verfassungsschutzes zu legitimieren und Forderungen nach mehr Personal zu begründen. Dorothee Winden