Sarkuhi meldet sich per Telefon

Der iranische Schriftsteller ruft offenbar aus dem Gefängnis bei seiner Frau in Berlin an. Im Iran sollte er zwangsweise mit einer Kollegin verheiratet werden, wie diese in einem Brief berichtet  ■ Von Thomas Dreger

Berlin (taz) – Am Mittwoch um 12 Uhr mittag klingelte bei Farideh Zebardschad das Telefon. Aufgeregt griff die Iranerin zum Hörer. Die 41jährige wußte, wer am anderen Ende der Leitung sein würde: Zwei Tage zuvor hatten ihr Verwandte aus dem Iran mitgeteilt, sie solle zu dem Zeitpunkt unbedingt zu Hause sein – ihr Mann, der Schriftsteller Faradsch Sarkuhi, werde sich bei ihr melden.

Ihr Mann habe stimmlich recht gefaßt gewirkt, berichtet Farideh Zebardschad. Aber nachdem er auch mit seiner Tochter Bahar (12) und Sohn Aresch (14) gesprochen habe, sei er in Tränen ausgebrochen. Farideh Zebardschad ist überzeugt, daß ihr Mann aus dem Gefängnis angerufen hat – er von Bewachern umgeben gewesen sei, die auf jedes Wort aus seinem Mund achteten. Ihr gegenüber habe er versichert: „Es geht mir gut. Ich kann sogar Radio hören und fernsehen.“ Sarkuhi habe aber auch gesagt: „Ich bin sicher, daß ich verurteilt werde.“ Weswegen, sagte der Schriftsteller nicht.

Der Anruf ist das erste Lebenszeichen Sarkuhis seit dessen erneutem Verschwinden am 27. Januar. Am 3. Februar teilten die iranischen Behörden mit, Faradsch Sarkuhi und sein Bruder Ismail seien bei einem Versuch, das Land zu verlassen, festgenommen worden, dem Schriftsteller solle ein Prozeß gemacht werden. In iranischen Medien werden seither verschiedene Vorwürfe gegen Sarkuhi erhoben: Spionage für Deutschland, Versuch der illegalen Auswanderung und Ehebruch.

Der letzte Vorwurf bezieht sich offensichtlich auf Sarkuhis Verhältnis zu der Journalistin Parvin Ardalan. Die mit der Familie Sarkuhi befreundete Ardalan war ebenfalls im Januar vorübergehend verhaftet worden. Nach Informationen der taz hält sich die etwa 30jährige derzeit versteckt. In einem Brief, den sie heimlich per Fax an Sarkuhis Ehefrau geschickt hat und der der taz vorliegt, beschreibt sie, wie der iranische Geheimdienst versuchte, sie und Sarkuhi zwangsweise zu verheiraten. Unter anderem sei die Familienurkunde Sarkuhis gefälscht worden: Die Namen von Sarkuhis Frau und Kindern wurden weggelassen. Sarkuhi wäre mit diesem Dokument, dessen Kopie der taz vorliegt, formell ledig gewesen.

Sogar zu einer im Iran vor Eheschließungen notwendigen Blutuntersuchung habe man sie beide gezwungen, schreibt Ardalan. Für den Fall, daß sich die beiden der Inszenierung verweigerten, habe ein Geheimdienstler gedroht: „Für unsere nationale Sicherheitslage tun wir alles. Liquidierung von Menschen wie dir und Faradsch ist kein Problem für uns.“ Nach der „Hochzeit“ hätten sich beide einer Pressekonferenz stellen sollen.

Sarkuhi war im November und Dezember 47 Tage verschwunden. Die iranische Führung behauptet, er sei in Deutschland gewesen, habe aber seine Frau aus „familiären Gründen“ nicht getroffen. Sarkuhi, der diese Fassung auf einer offensichtlich vom iranischen Geheimdienst inszenierten Pressekonferenz bestätigt hatte, gelang es Anfang Januar, einen Brief nach Deutschland zu schmuggeln. Darin beschrieb er, wie er die 47 Tage in den Händen des iranischen Geheimdienstes verbrachte. Die Inszenierung einer Hochzeit sollte vermutlich die iranische Version von der Deutschlandreise ohne Familienbesuch plausibel erscheinen lassen.