Waigel auf Schmusekurs mit der SPD

■ Die Arbeitslosen beunruhigen nun auch die Koalition: Sie will trotz leerer Kassen mehr investieren. In der Debatte über den Jahreswirtschaftsbericht wünschte Waigel sich eine "konzertierte Aktion" mit de

Berlin/Bonn (taz/rtr/dpa) – In seiner Not hat Finanzminister Theo Waigel der SPD gestern „eine konzertierte Aktion“ angeboten. Die Union solle jetzt mit den Sozialdemokraten „die wichtigen Reformen für Deutschland gemeinsam auf den Weg bringen“, sagte Waigel in der Bundestagsdebatte über den Jahreswirtschaftsbericht 1997. „Wir werden helfen“, versprach Gerhard Schröder, Ministerpräsident von Niedersachsen. Zum Preis der Koalition sei die SPD-Hilfe jedoch nicht zu bekommen, so Schröder. Er hatte auch gleich konkrete Vorschläge, die jedoch eher den Plänen der Regierung entsprechen als denen seines Parteivorstands. So müsse der Spitzensteuersatz auch für private Einkommen gesenkt werden. Außerdem sollten die Sozialkassen nicht durch eine Energiesteuer entlastet werden, sondern durch eine höhere Mehrwertsteuer finanziert werden.

Das werden Waigel und Kollegen gern hören, wissen sie doch nicht, wie sie die Deckungslücken im Haushalt schließen sollen. Wirtschaftsminister Günter Rexrodt hatte im Jahreswirtschaftsbericht 1997 unrealistische und inzwischen widerlegte Zahlen zugrunde gelegt: Die Arbeitslosigkeit werde 1997 niedriger sein als Ende 1996. Allein im kommenden Monat rechnen Experten jedoch bereits mit fünf Millionen Arbeitslosen. Rexrodt meinte, daß die Wirtschaft um 2,5 Prozent wachsen wird. Erst vor zwei Tagen haben Bundesbank und Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung mitgeteilt, daß die Konjunktur 1997 nicht anspringt oder gar rückläufig sein wird. Immerhin hat Rexrodt die Neuverschuldung mit 2,9 Prozent des Bruttoinlandsprodukts beziffert.

Der Wert ist mit Blick auf die anstehende Währungsunion hoch. Und wird wohl nicht eingehalten. Denn allein der Bundesanstalt für Arbeit muß Waigel zwischen acht und zehn Milliarden Mark mehr in diesem Jahr überweisen. Da mehr Menschen langzeitarbeitslos sind, braucht Waigel für die Arbeitslosenhilfe ebenfalls rund drei Milliarden Mark mehr als geplant. Denselben Betrag nimmt er dieses Jahr mindestens weniger durch Steuern ein. So kommen er und seine Regierungskollegen auf ungewöhnliche Ideen. In einem Strategiepapier fordern sie „zusätzliche Investitionen“ für mehr Arbeitsplätze, berichtet die Wirtschaftswoche. Solche Vorschläge kamen bislang nur von Sozialdemokraten: Geht es Wirtschaft und Land schlecht, müsse der Staat Geld ausgeben. Waigel forderte gestern jedoch von der SPD, „ohne taktische Scheuklappen die Probleme“ anzupacken. Am Montag beginnen SPD und Koalition mit ihren Gesprächen. ufo